Den Brustkrebs riechen - Atemgasanalyse im Krebsforschungszentrum ONCOTYROL
Im menschlichen Atem befinden sich Hunderte kleiner, flüchtiger Moleküle, die aus dem Blut der Lungen durch die dünnen Gefäßwände hindurchgetreten sind. Meist handelt es sich um Abbauprodukte, sogenannte Metaboliten, die der Stoffwechsel produziert. Erst in den letzten zehn Jahren ist es technisch möglich geworden, viele dieser Spurenstoffe nachzuweisen und ihre Mengen zu bestimmen. Ein Massenspektrometer trennt Gase in seine Bestandteile auf, indem es sie nach ihrem Verhältnis von Masse zu Ladung sortiert. Die von der Firma Ionimed entwickelten Atemgasanalyse-Systeme sind dabei so empfindlich, dass sie ein Molekül unter 100 Milliarden anderen Molekülen aufspüren können. Dabei verwenden sie eine Technik namens Protonen-Transfer-Reaktions-Massenspektrometrie (PTR-MS). Der Vorteil dieser Technik ist, dass der Patient hineinbläst und die Atemluft sofort - in „Echtzeit“ - analysiert werden kann. Es ist also keine weitere Probenbearbeitung vor der Messung nötig.
Eine solche „Echtzeitmessung“ muss vor allem schnell gehen und den Patienten möglichst wenig belasten. Bei längeren Messungen kann es dazu kommen, dass Patienten hyperventilieren. In der Veröffentlichung, die nun ausgezeichnet wurde, beschreibt Jens Herbig von Ionimed die Entwicklung eines Mundstücks bzw. eines Probenahmesystems, das eine besonders rasche und zuverlässige Echtzeitmessung des Atemgases ermöglicht. Dieses Mundstück wurde im Rahmen des K_ind-Programms entwickelt, welches von der CEMIT Center of Excellence in Medicine and IT gemanagt wird. Es wird in ONCOTYROL Center for Personalized Cancer Medicine angewandt, um Marker für Brustkrebs zu finden.
Das Folgeprojekt in ONCOTYROL wird gemeinsam mit Prof. Christian Marth von der Medizinischen Universität Innsbruck durchgeführt. Es geht darum herauszufinden, ob die Atemgasanalyse als schmerzlose, minimal invasive, schnelle und kostengünstige Screeningmethode für Brustkrebs geeignet ist und ob sie die derzeit gängigen Vorsorgeverfahren wie die Mammographie und Ultraschall ergänzen kann. Auch untersuchen die Wissenschaftler, ob die Atemgasdaten Auskunft über die Größe oder Aggressivität des Tumors geben können. Zudem wird nach Biomarkern im Atemgas gesucht, die den Verlauf der Erkrankung oder die Wirkung der Therapie anzeigen können oder vorhersagen können.
„Wir wissen, dass Hunde riechen können, ob jemand Krebs hat“, sagt Ingrid Kohl, Direktorin für Forschung bei Ionimed. Sie verweist dabei auf eine publizierte Studie, nach der die Tiere vor allem Lungenkrebs-, aber auch Brustkrebs-Patienten von gesunden Probanden unterscheiden können. „Hunde haben sozusagen ein eingebautes Mustererkennungsprogramm für einen spezifischen Geruch - genau dies versuchen wir technisch auch hinzukriegen“, sagt die Chemikerin.
Noch wird die Atemluftanalyse nur in Einzelfällen als Untersuchungsmethode angewandt. Bei der amerikanischen Zulassungsbehörde FDA sind Verfahren zum Nachweis von Magengeschwüren und Asthma sowie von Herztransplantat-Abstoßungen zugelassen.
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