Magnetische Messungen für die medizinische Diagnostik

Forscher entwickeln extrem empfindliches Sensorsystem für Magnetfelder

19.02.2018 - Deutschland

Hochempfindliche Sensoren könnten in Zukunft magnetische Signale des Körpers detektieren, um daraus Rückschlüsse auf Herz- oder Hirnströme zu ziehen. Im Vergleich zu den etablierten elektrischen Messverfahren wären sie in der Lage, kontaktlos zu messen, also ohne direkten Hautkontakt. Noch sind solche Messungen mit erheblichem Aufwand verbunden. So müssen die Sensoren stark gekühlt oder gegen andere Magnetfelder abgeschirmt werden. Eine wichtige Grundlage für biomagnetische Diagnostik konnten jetzt Forschende der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) schaffen. Im Sonderforschungsbereich 1261 „Magnetoelectric Sensors: From Composite Materials to Biomagnetic Diagnostics“ erforschen sie die Entwicklung von Magnetfeldsensoren, die langfristig in der Lage sein sollen, mit einer besseren Ortsauflösung ohne größeren Aufwand im medizinischen Alltag eingesetzt zu werden. Das interdisziplinäre Forschungsteam entwickelte ein erstes Sensorsystem, das nicht nur das Erkennen eines magnetischen Signals umfasst, sondern auch seine Verarbeitung.

Siekmann/CAU

19 mm lang und 4 mm breit sind die silbern glänzenden Magnetfeldsensoren, die Forschende im Kieler SFB 1261 entwickelt haben. Für eine medizinische Anwendung müssten sie jedoch noch weitaus kleiner und empfindlicher werden.

Bei manchen Diagnosen wie einem Verdacht auf Herzinfarkt muss es schnell gehen. Die Herzaktivität lässt sich zum Beispiel mit einem Elektrokardiogramm (EKG) untersuchen, bei dem direkt auf die Haut geklebte Elektroden die vom Herzen erzeugten elektrischen Signale messen. Einfacher könnten eines Tages magnetische Messungen sein. „Bei Notfällen oder Langzeituntersuchungen hätten sie den Vorteil, dass sie kontaktlos funktionieren“, erklärt Professor Eckhard Quandt, Sprecher des SFB 1261. Die Mitglieder des interdisziplinären Forschungsverbundes erforschen und entwickeln Materialien und die erforderliche Elektronik für einen Einsatz in der Magnetfeldsensorik. „Die elektrische Leitfähigkeit unterscheidet sich außerdem an verschiedenen Stellen des Körpers. Magnetische Signale werden hingegen überall gleich gut weitergegeben“, erläutert Quandt einen weiteren Vorzug magnetischer Diagnostik. „So werden genauere Messungen mit einer besseren Ortsauflösung möglich.“ Prinzipiell ließen sich Sensoren damit während der Messung bewegen und Signalveränderungen exakt lokalisieren.

Sensor und Messsystem in enger interdisziplinärer Zusammenarbeit entstanden

Zwar existieren bereits Sensoren, die biomagnetische Signale des Körpers messen können, sie funktionieren jedoch nur mit supraleitenden Materialien. Das heißt, die Umgebungstemperatur muss dafür aufwendig auf -197 Grad Celsius heruntergekühlt werden, was spezielle Geräte erfordert und mit hohen Kosten verbunden ist.

Im SFB 1261 arbeiten daher Forschende aus der Elektrotechnik, Physik, Materialwissenschaft und Medizin eng zusammen, um Magnetfeldsensoren herzustellen, die sich bei Raumtemperatur in der medizinischen Praxis einsetzen lassen. Wichtige Grundlagen dafür konnten sie jetzt schaffen: Zum einen entwickelten sie einen Oberflächenwellensensor, auch SAW-Sensor genannt (engl. Surface Acoustic Wave). Zum anderen beschrieben sie das nötige elektronische Messsystem, in das er integriert ist. Denn für ein sinnvolles Messergebnis kommt es auch darauf an, wie die aufgenommenen Signale verarbeitet und ausgelesen werden.

Den SAW-Sensor stellten die Forschenden mithilfe von Dünnschichttechnik, Lithographie und Ätzverfahren im Kompetenzzentrum Nanosystemtechnik der CAU her. Sein Kernstück ist ein spezielles magnetisches Material. Es ist magnetostriktiv, reagiert also auf Magnetfelder, indem es seine elastischen Eigenschaften ändert und weicher wird. „Wir lassen Schallwellen über die Oberfläche des Sensors laufen. Tritt ein Magnetfeld auf, wird die Welle im magnetischen Material langsamer“, erklärt Anne Kittmann, Doktorandin der Materialwissenschaft im SFB. Über die Änderung der Geschwindigkeit lässt sich ablesen, wie stark das Magnetfeld ist. „Ähnlich ist es bei Eisenbahngleisen: Legt man sein Ohr direkt auf die Schiene, kann man einen kommenden Zug früher hören. Denn über das Metall ist der Schall schneller als in der Luft.“

Störgeräusche minimieren

Die größte Herausforderung bei der Sensorentwicklung sind Störungen durch andere Magnetfelder. „Biomagnetische Signale sind extrem schwach. Bereits das Magnetfeld der Erde beeinflusst ihre Messung“, sagt Kittmann. Bisher werden die Sensoren daher in Messkammern eingesetzt, die äußere Magnetfelder abschirmen. Doch das ist weder praxistauglich noch schützt es vor Störungen innerhalb der Kammern. „Denn jede elektrische Komponente des Messsystems überlagert das magnetische Signal mit zusätzlichem Rauschen, also eigenen Störgeräuschen“, ergänzt Phillip Durdaut, der im Bereich Elektrotechnik im SFB promoviert. Er konnte gemeinsam mit seinen Kolleginnen und Kollegen das Zusammenspiel der einzelnen elektronischen Bauteile so optimieren, dass ihr Rauschen vernachlässigbar wird.

Medizinische Anwendung verlangt aber noch höhere Empfindlichkeit

Bis biomagnetische Sensoren wie der des Kieler SFBs in der medizinischen Praxis verwendet werden können, müssen sie allerdings noch kleiner und empfindlicher werden, zum Beispiel durch die Anpassung des Sensoraufbaus oder den Einsatz weiterer Methoden aus der Signalverarbeitung. Eine Magnetfeldstärke im Piko- bis Femtoteslabereich (ein Billionstel Tesla) messen zu können, ist das langfristige Ziel der Forschenden. SFB-Sprecher Quandt ist zuversichtlich: „In der engen Zusammenarbeit verschiedener Disziplinen und Arbeitsgruppen liegt das große Potential dieses Projekts. Wir können maßgebliche Grundlagen schaffen, um Magnetfeldsensoren auf langer Sicht als Standard in der kardiologischen und neurologischen Diagnostik zu etablieren.“

Die Erkenntnisse seien außerdem vielversprechend, um sie aufgrund der breiten Frequenzbereiche, die magnetische Signale aufweisen, auf andere Anwendungen der Magnetfeldsensorik zu übertragen, zum Beispiel auf Stromsensoren für die Elektromobilität.

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