Wie eine Genmutation die Zellkraftwerke beeinträchtigt

Neuer Krankheitsmechanismus in den Mitochondrien

27.03.2018 - Deutschland

Dr. Nora Vögtle, Leiterin einer Emmy-Noether-Nachwuchsgruppe am Institut für Biochemie und Molekulare Medizin der Universität Freiburg, hat mit ihrem Team und in Zusammenarbeit mit Kinderärztinnen und Kinderärzten aus Europa, Australien und den USA die molekularen Folgen einer bis dahin noch nicht beschriebenen Genmutation aufgeklärt. Diese Mutation beeinträchtigt die Funktion der Mitochondrien, die als Kraftwerke der Zelle bezeichnet werden. Sie führt schon im frühen Kindesalter, meist nach einer harmlosen Infektion, zu einer schweren Erkrankung und in der Folge dazu, dass das Gehirn zentrale Körperfunktionen, unter anderem die Motorik, nicht mehr dauerhaft steuern kann.

Mitochondrien sind in höheren Zellen vorkommende Organellen, die eine Vielzahl von Funktionen ausüben. Die bekannteste Funktion ist, dass sie die in der Nahrung gespeicherte Energie umwandeln – in Energie, die für zelluläre biochemische Reaktionen nutzbar ist. Sie sind aber auch für die Herstellung einer Vielzahl von Stoffwechselprodukten sowie Kofaktoren, die für das Funktionieren vieler Enzyme benötigt werden, verantwortlich. Läuft bei diesen Funktionen etwas schief, können Krankheiten entstehen. Fehlerhafte Mitochondrien führen insbesondere zu Erkrankungen von Geweben und Organen, die einen hohen Energiebedarf haben. Daher sind oft das Nervensystem, das Herz oder die Skelettmuskulatur betroffen.

Die genetische Analyse des Erbguts betroffener Patientinnen und Patienten sowie ihrer Familien aus drei verschiedenen Kontinenten ergab, dass immer ein ganz bestimmtes Gen durch eine vererbte Mutation verändert war. Dieses Gen liefert den Bauplan für ein Eiweiß, das in den Mitochondrien benötigt wird: Es spaltet dort Signalanhängsel, so genannte Präsequenzen, von Eiweißvorstufen ab, die aus der Zellflüssigkeit in die Mitochondrien importiert wurden. Das Eiweiß heißt daher auch Mitochondriale Präsequenz Protease (MPP).

In ihrer Arbeit an der Schnittstelle von Grundlagenforschung und Medizin zeigte Vögtle gemeinsam mit ihrem Team, dass die genetische Veränderung des MPP-Gens zu einem in seiner Funktion beeinträchtigten Eiweiß führt. Dieses kann die Präsequenzen nicht mehr effizient abspalten, sodass sich unreife Eiweißvorstufen in den Mitochondrien ansammeln. Hierdurch kommt es zu einer Beeinträchtigung vieler mitochondrialer Funktionen. Vögtle hat für Teilbereiche ihrer Untersuchungen den Modellorganismus Bäckerhefe verwendet. In dessen zum menschlichen Gen verwandten Hefe-MPP hat ihr Team dieselben krank machenden Mutationen eingebaut und die entsprechenden Konsequenzen auf die Arbeitsprozesse in den Mitochondrien untersucht.

„Unsere Erkenntnisse konnten leider noch keines der erkrankten Kinder retten“, sagt Vögtle und erklärt weiter: „Jedoch können ohne diese grundlegende Aufklärung pathologischer Mechanismen erst gar keine Therapieansätze entwickelt werden. Wir hoffen, dass unsere Arbeit langfristig zur Entwicklung wirksamer Therapeutika führen wird.“

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