SOLUTIONS – für eine bessere Wasserqualität europäischer Flüsse
UFZ/André Künzelmann
Lösungen zu finden, wie die vielen Stoffe überwacht und gemanagt werden können, die als komplexe Mischungen in unseren Gewässern vorkommen und die dort unsere Ökosysteme und unsere Gesundheit gefährden – das war das ambitionierte Ziel, mit dem das EU-Projekt SOLUTIONS 2013 gestartet ist. Mehr als 100 Wissenschaftler haben dafür neue Methoden und Modelle entwickelt und getestet, mit denen die Überwachung der Wasserqualität angepasst werden kann. Sie haben relevante Schadstoffe identifiziert und Empfehlungen erarbeitet, die das Regelwerk der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie (WWRL) verbessern können. Zudem haben sie große Fallstudien durchgeführt, mit denen überprüft werden konnte, inwieweit die erarbeiteten Methoden, Modelle und Werkzeuge funktionieren. Laut Projektkoordinator Dr. Werner Brack vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) konnten damit alle wesentlichen Ziele des Projekts erreicht werden.
Überwachung, Bewertung und Management verbessern
Derzeit sind in der EU-Wasserrahmenrichtlinie 45 Schadstoffe, sogenannte prioritäre Schadstoffe, gelistet. Sie dürfen in einem Gewässer mit guter Wasserqualität nicht oder nur in geringem Maße vorkommen. Demgegenüber stehen allerdings mehr als 100.000 verschiedene chemische Substanzen, die wir täglich benutzen und die in unsere Umwelt und Gewässer gelangen. Die meisten Substanzen werden bei der Bewertung der Gewässerqualität nach der derzeitigen EU-Wasserrahmenrichtlinie also gar nicht berücksichtigt.
„Das gegenwärtige Monitoring ist teuer, ignoriert den größten Teil der Schadstoffe und läuft den eigentlichen Problemen hinterher. Denn die meisten prioritären Schadstoffe sind längst vom Markt und durch andere sehr ähnlich wirkende chemische Substanzen ersetzt. Neue Stoffe auf die Liste zu bekommen, ist ein langwieriger politischer Prozess“, kritisiert Werner Brack. Außerdem beschränkt sich die WRRL bislang nur auf die Prüfung von Einzelstoffen. Schadstoffe wirken in der Umwelt aber nicht einzeln, sondern in Kombination, und können sich dadurch in ihrer Wirkung gegenseitig verstärken. „Nicht das Vorkommen eines Schadstoffes ist ausschlaggebend, sondern seine Wirkung im Gewässer“, sagt Brack. Deshalb empfehlen die SOLUTIONS-Wissenschaftler, die Überwachung der Gewässerqualität von der chemischen Analytik einzelner Schadstoffe auf effektbasierte Methoden – wie etwa biologische Wirkungstests – umzustellen. So würden alle Stoffe mit derselben Wirkung erfasst, auch Stoffgemische. Und teure chemische Analytik wäre nur noch erforderlich, falls bestimmte Wirkschwellen überschritten werden.
Für ihren Vorschlag haben die Forscher vorhandene biologische Testverfahren geprüft und auf dieser Basis eine Testbatterie aus organismischen und sehr spezifischen zellbasierten Testsystemen entwickelt. Diese Testbatterie kann sowohl akut toxische Effekte auf Wasserorganismen als auch Langzeitwirkungen z.B. auf die Reproduktion von Organismen detektieren. Für die Unterscheidung zwischen problematisch und unproblematisch wurden außerdem entsprechende Grenzwerte formuliert. Dass dieser effektbasierte Ansatz funktioniert und hilft, nicht nur die Stoffe, sondern auch die Quellen ausfindig zu machen, zeigte sich laut Projektkoordinator Brack nicht zuletzt in den zahlreichen Fallstudien an europäischen Flüssen wie Donau und Rhein, die wichtiger Bestandteil der fünfjährigen Projektarbeit waren.
Die SOLUTIONS-Wissenschaftler haben außerdem zahlreiche Modelle entwickelt und verbessert, mit denen es möglich wird, die Verteilung, den Transport und den Abbau von Schadstoffen sowie deren Risiko abzuschätzen und damit die Umweltüberwachung zu unterstützen. Um die Konzentrationen tausender Stoffe in den europäischen Flussgebieten vorhersagen zu können, haben sie die Modelle wie Waggons in einem Eisenbahnzug verknüpft. „Dass wir damit auf dem richtigen Weg sind, zeigt die oft verblüffend hohe Übereinstimmung von modellierten und gemessenen Werten“, sagt Werner Brack, „auch wenn das nicht darüber hinwegtäuschen darf, dass es weiterhin viele Unsicherheiten gibt.“ Die sind v.a. den fehlenden Daten zu Produktionsmengen und zur Nutzung vieler Stoffe geschuldet, was dazu führt, dass die Wissenschaftler derzeit an vielen Stellen ihre Modelle nur mit Schätzungen füttern können. Trotzdem zeigen sie schon jetzt, dass Chemikalien neben den Nährstoffen ein wichtiger Faktor für den schlechten ökologischen Zustand vieler europäischer Gewässer sind. Die Modelle können helfen, Stoffe auszusondern, die mit hoher Wahrscheinlichkeit kein Problem für die Gewässer darstellen.
Alleiniges Messen und Bewerten der Gewässerqualität reicht aber nicht aus, um den Zustand eines Gewässers zu verbessern – es müssen entsprechende Maßnahmen folgen. „Deshalb geben wir Empfehlungen für ein stärker lösungsorientiertes Gewässermanagement, bei dem Überwachung, Bewertung und mögliche Maßnahmen von Anfang an viel enger miteinander verzahnt sein sollten, als dies heute der Fall ist“, sagt Brack. Eindrucksvoll zeigten beispielsweise die Untersuchungen am Oberrhein, welche Wirkung die Aufrüstung von Kläranlagen in der Schweiz mit einer vierten Reinigungsstufe hat: Es konnte eine deutliche Verbesserung der Wasserqualität im Hinblick auf die Konzentration von Arzneiwirkstoffen oder Kosmetikbestandteilen festgestellt werden.
„Auch nach dem Abschluss von SOLUTIONS bleibt jedoch noch viel zu tun“, resümiert Brack. Im Hinblick auf das effektbasierte Monitoring wäre es wichtig, wenn für alle wichtigen Wirkweisen der Schadstoffe spezifische Werkzeuge zur Verfügung stünden. „So weit sind wir leider noch nicht“, bedauert der Wissenschaftler. Im Laufe der Projektarbeit zeigte sich außerdem die Bedeutung chemischer und toxikologischer Fingerabdrücke von verschiedenen Belastungsquellen. Die zu erforschen, war im Forschungsprogramm von SOLUTIONS jedoch nicht vorgesehen. „Deshalb haben wir jetzt mit einer Studie begonnen, die Kläranlagenausläufe und Einträge durch die Landwirtschaft erfasst. Wir können damit direkt an SOLUTIONS anknüpfen. Auch bei der Priorisierung von Minderungsmaßnahmen ist noch Einiges zu tun, vor allem in Bezug auf wissenschaftlich fundierte Prioritätensetzung und Erfolgskontrolle.“