Geheimnis um Langlebigkeit von Bäumen enthüllt
Forscher sequenzieren das Genom der Stieleiche
UFZ/André Künzelmann
Bäume nehmen einen zentralen Platz in unserem Kultur- und Naturerbe ein. Sie sind in der Landschaft allgegenwärtig und leisten Menschen unbezahlbare Dienste. Ihre Langlebigkeit und ihre Fähigkeit Veränderungen der Umwelt zu überstehen, machen sie zu wichtigen Symbolen sakraler, mystischer und künstlerischer Darstellungen von Stabilität, Widerstandsfähigkeit und der Dauerhaftigkeit des Lebens.
Wissenschaftler aus Frankreich, Schweden, Spanien, den USA und Deutschland befassten sich nun gemeinsam mit den genetischen Grundlagen der Langlebigkeit. Sie sequenzierten das Genom der Stieleiche, einer von 400 Eichenarten, mithilfe von modernen Hochdurchsatz-Sequenzierungstechnologien. Dies ermöglichte es, die 750 Millionen Nukleotide zu sequenzieren und zusammenzusetzen, aus denen das Genom besteht. Die genetische Vielfalt dieser weit verbreiteten europäischen Eichenart ist zehnmal größer als die des menschlichen Genoms.
Das Arsenal an Abwehrgenen gegen Schädlinge – ein möglicher Schlüssel zur Langlebigkeit
Die Untersuchung des Eichengenoms zeigte, dass es insgesamt 26.000 Gene enthält. 51 Prozent davon bestehen aus springenden genetischen Elementen – DNA-Sequenzen, die ihre Position innerhalb des Genoms ändern können. Zudem ist mit 36 Prozent ein ungewöhnlich hoher Anteil in aneinander gereihten Gengruppen organisiert, während es bei anderen Pflanzen im Durchschnitt lediglich 15 Prozent sind. Die Resistenzgene der Stieleiche scheinen von diesen Tandemduplikationen zu profitierten. Ein Vergleich der Genome von krautigen Pflanzen (zum Beispiel Acker-Schmalwand, Soja, Kartoffel, Wassermelone) und mehrjährigen Gehölzen (zum Beispiel Eiche, Pappel, Eukalyptus, Pfirsich) machte darüber hinaus deutlich, dass dieser Mechanismus zur Vervielfältigung von Resistenzgenen nicht auf Eichen beschränkt ist, sondern bei allen untersuchten Baumarten auftritt.
Sind Bäume genomische Mosaike?
In mehrzelligen Organismen häufen sich während ihres Wachstums somatische Mutationen, also Mutationen, die nicht in den Fortpflanzungszellen auftreten, sondern in den somatischen Zellen. Das extrem lange Leben der Bäume – manche Arten werden Jahrhunderte alt – und die Dauerhaftigkeit ihres im Laufe des Lebens entwickelten Gewebes machen sie zu perfekten Modellen, um diesem Phänomen auf den Grund zu gehen. Das Forscherteam untersuchte die Häufigkeit somatischer Mutationen, indem es die Genome aus Proben von unterschiedlich alten Zweigen einer hundertjährigen Eiche verglich. Dabei konnten die Forscher seltene somatische Mutationen feststellen, und zeigen, dass diese in die nächste Generation vererbt werden können. Zukünftig geht es darum zu verstehen, ob dieser Motor der Diversität Einzelpflanzen einen Selektionsvorteil verschaffen kann.
Womit haben sich die deutschen Wissenschaftler befasst?
Vom UFZ-Department Bodenökologie aus Halle (Saale) waren drei Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am internationalen Konsortium beteiligt, eine davon wurde über das Deutsche Zentrum für Integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) finanziert. Der Beitrag der mitteldeutschen Forscher bestand darin, Gene zuzuordnen, die für die Symbiose zwischen Baumwurzeln und Bodenpilzen relevant sind, und insbesondere den Austausch von Zucker regulieren. Das Hallenser Team brachte darüber hinaus seine eigene Gendatenbank ins Projekt ein. Sie enthält Informationen zur Regulation von Eichengenen bei Wechselwirkungen zwischen Eichenblättern oder -wurzeln und Tieren oder Mikroorganismen. Basis dafür ist ein eigener Klon der Stieleiche, der am UFZ durch in-vitro-Kultur seit Jahren vermehrt wird.
„Die zwei genomischen Merkmale geben uns Hinweise darauf, warum Bäume, die so vielen biotischen Wechselwirkungen ausgesetzt sind, es schaffen, sich in Europa so großräumig zu verbreiten. Dieses Wissen unterstützt unsere eigenen UFZ-Forschungsarbeiten, bei denen ein Eichenklon als Phytometer an verschiedenen Standorten in Europa freigesetzt wird. Wir wollen so untersuchen, wie sich Waldbäume als langlebige Organismen an Umweltänderungen anpassen“ sagt Dr. Sylvie Herrmann, eine der Mitautorinnen der Studie.