Leitend oder nicht – Nanoschalter für Computer der Zukunft atomgenau vermessen
Oxide aus der chemischen Klasse der Übergangsmetalle gelten als vielversprechende Materialien für die Computer von morgen. Unter ihnen finden sich sogenannte memristive Materialien. Ihr elektrischer Widerstand ist nicht konstant, sondern lässt sich durch das Anlegen einer äußeren Spannung verändern und wieder zurücksetzen. Logik- und Speicherbauelemente aus solchen Materialien können äußerst schnell und energiesparend arbeiten und gespeicherte Informationen auch bei Stromausfall erhalten. Sie lassen sich außerdem sehr gut bis in den Nanometerbereich verkleinern und zu neuromorphen Systemen verschalten, die die Arbeitsweise des Gehirns nachempfinden.
Um solche Anwendungen zu realisieren, interessieren sich Forscher insbesondere für sogenannte Filamente entlang von lokalen Leitungsbahnen auf der Oberfläche von ansonsten isolierenden Oxiden. Die nanometerkleinen Bereiche lassen sich zwischen leitend und nichtleitend umschalten. "LC-AFM ermöglicht erstmals, die lokale Leitfähigkeit der Oberflächen solcher Materialien mit atomarer Auflösung abzubilden und somit festzustellen, an welchen Stellen Filamente bevorzugt entstehen", erläutert Dr. Christian Rodenbücher, Physiker am Jülicher Peter Grünberg Institut. LC-AFM ist im Gegensatz zur Rastertunnelmikroskopie, einer etablierten Methode zur Abbildung der atomaren Anordnung und elektronischen Struktur, auch auf schlecht oder im Nanomaßstab nicht homogen leitenden Oberflächen gut anwendbar, die typisch für die untersuchten Materialien sind.
Das Herz der Methode ist eine leitende Spitze, die mit konstanter Kraft über die Oberfläche der Probe geführt wird. Zwischen Probe und Spitze erzeugen die Forscher eine Spannung von wenigen Millivolt. Nur dort, wo die Probe leitend ist, fließt elektrischer Strom, den die Forscher mit einem hochempfindlichen Messgerät detektieren. "Bis jetzt war unklar, ob mittels LC-AFM Aufnahmen mit wahrer atomarer Auflösung möglich sind, da die Spitze einen relativ großen Spitzenradius von ungefähr 10-30 Nanometern hat. Benachbarte Atome in unseren Proben sind aber durchschnittlich nur einen Fünftel Nanometer voneinander entfernt", erläutert Rodenbücher.
Testmessungen an Graphit zeigten den Forschern jedoch, dass es möglich ist, nicht nur die periodische Anordnung der Kohlenstoffatome im hexagonalen Gitter sondern auch einzelne Punktdefekte aufzulösen. Graphit lässt sich einfach spalten; dabei entstehen „saubere“ Oberflächen. Letzteres ist entscheidend für gute Messergebnisse, neben einer scharfen und stabilen Spitze und einem empfindlichem Stromspannungsverstärker. Die Forscher entschieden sich bei ihren weiteren Untersuchungen für kommerziell erhältliche Technik und konzentrierten sich darauf, die Präparation der Oberflächen ihrer eigentlichen Proben mit einer eigens entwickelten Methode zu optimieren.
So konnten sie die Methode erfolgreich einsetzen, um den Einfluss chemischer Modifikationen auf die Leitfähigkeit der Oberfläche von Titanoxid (TiO2) mit atomarer Auflösung zu messen. Im Rahmen ihrer Grundlagenforschung innerhalb des Sonderforschungsbereiches 917 "Nanoswitches" hatten die Forscher bereits festgestellt, dass die Leitfähigkeit von leicht reduzierten Oxidoberflächen inhomogen ist, was auf lokale Reduktionsvorgänge hindeutet. Nun wollten sie herausfinden, wie stark die leitenden Bereiche lokalisiert sind.
Das Ergebnis: Nach leichter Reduktion entstehen zunächst stark lokalisierte Leitungsbahnen mit einem Durchmesser von 1-30 Nanometern und die Grenze zwischen gut und schlecht leitenden Bereichen ist extrem scharf. Mit Simulationen auf dem Jülicher Supercomputer JURECA konnten die Forscher die Messergebnisse bestätigen. Erst nach starker Reduktion beobachteten sie zunehmend homogenere Leitfähigkeitsverteilung.
Die Forscher waren dabei überrascht, dass nicht alleine die Anordnung der Atome in der obersten Monolage die elektrische Leitfähigkeit der reduzierten TiO2-Oberfläche bestimmt. Auch Sauerstoffleerstellen in den weiteren Lagen der Oberflächenschicht leisten einen Beitrag, wie Simulationen ebenfalls bestätigten. Sie entstehen zusammen mit freien Elektronen während der thermischen Reduktion von TiO2 unter Ultrahochvakuumbedingungen und tragen dazu bei, die Leitfähigkeit im Oxid zu erhöhen.
Alle Messungen und Simulationen fanden in Jülich statt, mit Unterstützung von Gastwissenschaftlern der Schlesischen Universität Kattowitz, der Jagiellonen-Universität Krakau und der Universität Lodz in Polen.