Zellen mit Raman-Mikroskopie auf Resistenzen gegen Krebsmedikamente testen
Herkömmliche Methoden basieren auf Antikörpern oder Markern. Das neue Verfahren kommt ohne solche Zusätze aus.
© Michael Schwettmann
Biophysiker der Ruhr-Universität Bochum (RUB) haben gezeigt, dass sich mit der Raman-Mikroskopie Resistenzen von Tumorzellen gegen Krebsmedikamente nachweisen lassen. Anders als herkömmliche Verfahren bedarf die Methode keiner Antikörper oder Marker. Sie detektiert die natürlichen Reaktionen von Zellen auf die Medikamentengabe und könnte so die Wirkung von Substanzen in präklinischen Studien bestimmen.
Über die Ergebnisse der Zellkulturexperimente berichtet das Team um Prof. Dr. Klaus Gerwert und Dr. Samir El-Mashtoly vom Lehrstuhl für Biophysik der RUB gemeinsam mit Prof. Dr. Stephan Hahn aus der Abteilung für Molekulare Gastroenterologische Onkologie der RUB in der Zeitschrift Scientific Reports vom 15. Oktober 2018.
Proteinveränderungen durch Medikamente
Für die Studie nutzten die Wissenschaftler die Wirkstoffe Erlotinib und Osimertinib, die unter den Handelsnamen Tarceva und Tagrisso erhältlich und für die Therapie von Lungenkrebs zugelassen sind. Sie binden an bestimmte Proteine auf der Zelloberfläche und hemmen so das Zellwachstum. Patienten entwickeln im Lauf der Therapie allerdings Resistenzen gegen die Wirkstoffe, weil sich Proteine in den Krebszellen verändern.
„Um zu verstehen, wie solche Resistenzen zustande kommen, müssen wir die Wirkweise der Medikamente besser analysieren können“, sagt Klaus Gerwert. „Die Raman-Mikroskopie kann helfen, bessere Krebsmedikamente zu entwickeln“, ergänzt Samir El-Mashtoly. „Es wäre von großem Vorteil, wenn man bereits in präklinischen Studien voraussagen könnte, ob ein Wirkstoff Resistenzen hervorrufen kann.“
Wirksamkeit in mutierten und nicht mutierten Zellen verglichen
Samir El-Mashtoly und Klaus Gerwert haben in den vergangenen Jahren neue markerfreie Methoden der Raman-Spektroskopie entwickelt, um die Wirksamkeit und Verteilung von Medikamenten in Krebszellen zu bestimmen. Für die aktuelle Studie mutierten sie Proteine in kultivierten Krebszellen, um die Proteinveränderungen nachzustellen, die bei Patienten mit einer Medikamentenresistenz auftreten. Solche Experimente waren bisher nicht in vitro – also in Zellkultur – möglich, sondern mussten immer an Patienten durchgeführt werden. „Damit wird die Untersuchung von Resistenzen stark vereinfacht“, erklärt Klaus Gerwert. Mittels Raman-Mikroskopie verglichen die Forscher, wie wirksam die Medikamente Erlotinib und Osimertinib in den mutierten und nicht mutierten Zellen waren.
Mit der Raman-Mikroskopie lässt sich ein spektroskopischer Fingerabdruck der Molekülausstattung einer Zelle erzeugen. Ein Vergleich der Spektren vor und nach der Medikamentengabe kann Aufschluss über die chemischen Prozesse geben, die der Wirkstoff anstößt.
Nur Resistenzen in mutierten Zellen
Das Ergebnis: In Zellen mit mutierten Proteinen blieben Erlotinib und Osimertinib wirkungslos, während die Medikamente in den unveränderten Krebszellen Effekte zeigten. Diese Ergebnisse passen zu den klinischen Befunden, dass Patienten, bei denen sich bestimmte Proteine durch die Therapie verändern, nicht mehr auf die Medikamente ansprechen. Es zeigten sich also die gleichen Resistenzeigenschaften, die sonst nur an Patienten beobachtet werden können.
In herkömmlichen Tests wird die Wirksamkeit von Medikamenten indirekt über Marker erfasst, die an den Wirkstoff angehängt werden. „Bei diesen Verfahren wird nur die Antwort eines einzigen Proteins, nämlich des Markers, erfasst“, beschreibt Klaus Gerwert. „Die Raman-Mikroskopie hingegen basiert auf der Antwort aller Moleküle in einer Zelle und ist somit eine der Methoden, um die Wirksamkeit von Substanzen bereits in vitro zu testen.“
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