Direkte Abbildung von Riesenmolekülen
Riesige zweiatomige Moleküle erzeugt und mit einem hochaufgelösten Mikroskop direkt abbildet
Christoph Hohmann (MCQST)
Molekulare Bindungen experimentell zu untersuchen und theoretisch zu beschreiben ist sehr komplex, da sie sehr klein sind und die beteiligten Elektronen immer miteinander wechselwirken. Bereits die Struktur von Atomen, den Grundbausteinen chemischer Bindungen, kann aufgrund der Wechselwirkung der beteiligten Elektronen nur noch näherungsweise berechnet werden. Nur das Wasserstoffatom - das erste und einfachste Element im Periodensystem, das nur aus einem Proton und einem Elektron aufgebaut ist - lässt sich analytisch berechnen. Gehen Atome schließlich Bindungen ein, verkompliziert sich die Lage weiter. Da Atome in unserer Umwelt fast ausschließlich gebunden auftreten, sind es jedoch gerade die Eigenschaften molekularer Bindungen, die die beobachtbaren Eigenschaften unserer materiellen Umgebung beschreiben. Atome mit einem Elektron in einem hoch angeregten Bindungszustand – sogenannte Rydbergatome – übertragen die einfache Struktur des Wasserstoffatoms auf komplexere Atome, weil das einzelne angeregte Elektron sehr weit vom Atomkern und den anderen Elektronen entfernt ist. Rydbergatome sind in den letzten Jahren außerdem aufgrund ihrer starken Wechselwirkungen untereinander in den Fokus der Forschung gerückt, die selbst auf Abständen mehrerer Mikrometer messbar sind und bereits Anwendungen im Bereich der Quantensimulation und des Quantencomputing finden.
Das Team um Immanuel Bloch und Christian Groß konnte diese Wechselwirkung nun nutzen, um mit Laserlicht gebundene Zustände aus zwei Rydbergatome anzuregen. „Die spektroskopisch aufgelösten Vibrationszustände der resultierenden Moleküle sind dank der vergleichsweise einfachen Theorie der Physik der Rydbergatome in quantitativer Übereinstimmung mit den theoretisch berechneten Werten. Die große Bindungslänge erlaubt außerdem einen direkten mikroskopischen Zugang zur Bindungslänge und der Orientierung der angeregten Moleküle”, sagt Simon Hollerith, Doktorand und Erstautor der Studie.
Im Experiment starteten die Physiker mit einem zweidimensionalen Atomgitter mit einem Gitterabstand von 0.53 µm, in dem jeder Gitterplatz mit genau einem Atom besetzt ist. Das Gitter wird hierbei mithilfe einer Überlagerung von Laserstrahlen erzeugt und hält die anfänglichen Grundzustandsatome fest. Da die erzeugten Moleküle vom Gitter abgestoßen werden, lässt eine Molekülanregung zwei leere Gitterplätze im Abstand der Bindungslänge – in diesem Fall der Abstand einer Gitterdiagonalen – zurück. Anschließend wird die verbleibende Atombesetzung des Gitters mit einem hoch auflösenden Objektiv optisch detektiert und Moleküle als korreliert unbesetzt auftretende Gitterplätze identifiziert. Mithilfe dieser mikroskopischen Detektionsmethode konnte zusätzlich gezeigt werden, dass die angeregten Moleküle der unterschiedlichen Resonanzlinien jeweils abwechselnd vermehrt parallel und senkrecht zur Polarisation des anregenden Laserlichtes orientiert sind. Der Grund hierfür ist ein ebenfalls von der Theorie vorhergesagter Interferenzeffekt, der sowohl auf der elektronischen Struktur des Moleküls als auch dem Vibrationsfreiheitsgrad des Moleküls beruht.
Das Team am MPQ plant nun, die neu entdeckten Molekülresonanzlinien zur Quantensimulation von Vielteilchensystemen zu verwenden. Die gebundenen Zustände zweier Rydbergatome können dabei zu einer Überhöhung der Wechselwirkungsstärke auf dem Abstand der Bindungslänge führen.