Molekulare Maschinen mit Lichtantrieb

Kieler Forschungsteam baut erste Nanoroboter zur Herstellung von Molekülen

25.07.2019 - Deutschland

Die Idee molekularer Maschinen wird in den Nanowissenschaften schon lange diskutiert: Künstlich hergestellte chemische Verbindungen, die in der Lage sind, mechanische Arbeit zu verrichten. Solche „Nanoroboter“ könnten zum Beispiel medizinische Wirkstoffe transportieren, defekte Zellen reparieren oder Temperaturen im Körper messen, die auf Entzündungen hindeuten. Ein Forschungsteam aus dem Institut für Organische Chemie der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) ist es nun gelungen, ein Molekül herzustellen, das selbst Moleküle produzieren kann. Angetrieben wird es dabei durch UV-Licht. Bei dem verwendeten Prinzip orientierten sich die Chemikerinnen und Chemiker an Syntheseverfahren aus der Natur wie der Herstellung von ATP-Molekülen, dem universellen Energieträger von Zellen

Das Problem der klebrigen Finger

Bereits in den 1980er Jahren schwebte Ingenieur Kim Eric Drexler die Idee molekularer Maschinen als sogenannte „Assembler“ vor (von assemble, engl. für zusammenbauen): Sie sollten in der Lage sein, einzelne Atome zu greifen und präzise zu platzieren, um so komplexe Molekül-Strukturen zu bauen. Letztendlich würden sie sich selbst reproduzieren können, so Drexler. Diese Vision war der Beginn einer intensiven wissenschaftlichen Kontroverse: Gegner, die den Bau solcher Nanoroboter aus Molekülen prinzipiell nicht für möglich hielten, führten im Wesentlichen zwei Argumente an, die in der Forschung als Probleme der „dicken und klebrigen Finger“ bezeichnet werden. Demnach müsste ein Assembler unzählige „Finger“ im Nanomaßstab haben, um die verschiedenen Atome jeweils greifen und platzieren zu können – dafür fehle jedoch schlichtweg der Platz. Haupthindernis für solche „Molekülbauer“ sei aber die als „sticky fingers“ (zu Deutsch: „klebrige Finger“) bezeichnete Schwierigkeit, einmal gegriffene Atome wieder loslassen und absetzen zu können.   

Forschungsergebnisse der letzten Jahre lassen jedoch darauf schließen, dass die Entwicklung solcher Assembler prinzipiell möglich ist. Davon ist Rainer Herges, Professor für Organische Chemie und Sprecher des Sonderforschungsbereichs 677 „Funktion durch Schalten“ an der CAU, überzeugt. „Immerhin existieren solche molekularen Assembler bereits in der Natur, zum Beispiel in Form von Ribosomen, die in Zellen Proteine herstellen oder zur Synthese von ATP, Adenosintriphosphat. Das Prinzip dieser biochemischen Synthesevorgänge müsste sich also künstlich im Labor nachbilden lassen“, beschreibt Herges seinen Ansatz. Auf diese Weise stellten er und sein Forschungsteam den ersten künstlichen Assembler her, der mit UV-Licht betrieben wird.  

UV-Licht steuert Prozesse

Dafür reduzierten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Komplexität der biologischen Prozesse systematisch soweit, dass sie sich mit Methoden der synthetischen Chemie umsetzen ließen. Sie brachten die Reaktionspartner, vier Vanadat-Ionen, in unmittelbare Nähe zueinander und verknüpften sie zu einem Ring. Über ein per UV-Licht steuerbares Assembler-Molekül lösten sie einen Reaktionsprozess aus, bei dem sich ein neues Molekül formt. Auch das „klebrige-Finger-Problem“ konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit UV-Licht lösen: Bestrahlt mit Licht mit einer Wellenlänge von 365 Nanometern ändert sich die äußere Form des Assembler-Moleküls. Seine Enden drücken sich wie eine Zange zusammen, der Raum im Inneren wird zu klein und das neue Molekül wird freigegeben. UV-Licht wählte das Forschungsteam deshalb als externe Energiequelle, weil es einfach zu handhaben ist und – im Gegensatz zu chemischer Energie – keine unbeabsichtigten Nebenprodukte entstehen.      

Paradigmenwechsel in der chemischen Synthese

Ähnliche funktionierende molekulare Maschinen, die zum Beispiel Aminosäuren in Proteine umwandeln könnten, wären mit weniger Nebenprodukten und kürzeren Syntheseprozessen in der Lage, einen Paradigmenwechsel in den Methoden der chemischen Synthese auszulösen, so Herges. Außerdem betont das Kieler Forschungsteam, dass die Energie des entstandenen Moleküls höher ist als die der Ausgangsstoffe. „Auch wenn ihre Herstellung eine Herausforderung ist, könnten molekulare Assemblers langfristig eine neue Möglichkeit sein, um Lichtenergie in chemische Energie umzuwandeln“, unterstreicht Herges ihre Bedeutung.  

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