Fahndung nach der Chemie des Lebens

Studie zeigt möglichen neuen Weg zur Entstehung von DNS-Basenpaaren

06.10.2020 - Deutschland

Auf der Suche nach dem Ursprung des Lebens hat ein Forschungsteam mit Hilfe von DESYs Röntgenlichtquelle PETRA III einen alternativen Pfad aufgezeigt, wie das typische Muster des Erbgutmoleküls DNS entstanden sein könnte: Seine charakteristischen Basenpaare können sich demnach auf rein thermischem Weg durch Erhitzen ohne Wasser oder andere Lösungsmittel zusammenfinden. Das Team unter Leitung von Ivan Halasz vom Ruđer-Bošković-Forschungsinstitut in Zagreb und Ernest Meštrović von der Pharmafirma Xellia stellt seine Beobachtungen im Fachblatt „Chemical Communications“ vor.

Ruđer-Bošković-Institut, Ivan Halasz

Aus dem Gemisch der vier Nukleinbasen entstanden bei etwa 100 Grad Celsius A:T-Paare und bei 200 Grad Celsius G:C-Paare.

„Eine der faszinierendsten Fragen bei der Fahndung nach dem Ursprung des Lebens ist, wie die chemische Auswahl stattgefunden hat und sich die ersten Biomoleküle gebildet haben“, sagt Hauptautor Tomislav Stolar vom Ruđer-Bošković-Institut. Während die Zellen von Lebewesen die Produktion bestimmter Biomoleküle mit ihrer komplexen Maschinerie gezielt steuern, sind die ersten molekularen und supramolekularen Bausteine des Lebens vermutlich auf rein chemischem Weg und ohne Katalysatoren entstanden. Für ihre Arbeit haben die Wissenschaftler nun die Entstehung der Nukleinbasen-Paare in der Desoxyribonukleinsäure (DNS) untersucht.

Unser Erbgut ist in der DNS als lange Abfolge von vier Buchstaben gespeichert, die von den Nukleinbasen Adenin (A), Cytosin (C), Guanin (G) und Thymin (T) gebildet werden. Der genetische Code ist in zwei langen, komplementären Strängen abgelegt, die sich in der bekannten Doppelhelix-Struktur umeinanderwinden. In der DNS-Doppelhelix steht jeder Nukleinbase ihr komplementärer Partner im jeweils anderen Strang gegenüber: Adenin bildet ein Paar mit Thymin und Cytosin mit Guanin.

„In der DNS kommen nur spezifische Kombinationen vor, und wenn die Nukleinbasen isoliert werden, mögen sie überhaupt nicht mehr aneinander binden. Wieso hat die Natur also gerade diese Basenpaare ausgewählt?“, erläutert Stolar. Nach der Aufklärung der Doppelhelix-Strukur der DNS durch James Watson und Francis Crick 1953 versuchten sich zahlreiche Experimente an der Paarbildung der Nukleinbasen, allerdings mit überraschend geringem Erfolg bei präbiotisch plausiblen Bedingungen.

„Wir haben einen anderen Weg beschritten“, berichtet Ko-Autor Martin Etter von DESY. „Wir haben versucht herauszufinden, ob sich die Basenpaare durch mechanische Energie oder einfache Wärmezufuhr erzeugen lassen.“ Das Team untersuchte dazu die sogenannten methylierten Formen der Nukleinbasen. Die angehängte Methylgruppe (-CH3) erlaubt es den Nukleinbasen im Prinzip, Wasserstoffbindungen an der Watson-Crick-Seite des Moleküls auszubilden. Methylierte Nukleinbasen kommen auch in zahlreichen lebenden Organismus vor und haben dort verschiedene biologische Funktionen.

Im Labor versuchten die Wissenschaftler zunächst, Nukleinbasenpaare durch mechanisches Mahlen herzustellen. Dazu füllten sie je zwei Nukleinbasen als Pulver in einen Mahlbecher, in dem zwei Stahlkugeln als Mahlwerkzeuge dienten. Zum Mahlen wird der Becher dann auf kontrollierte Weise geschüttelt. Dabei entstanden A:T-Paare, die auch in früheren Experimenten anderer Forscher bereits beobachtet worden waren. Das reine Mahlen führte allerdings nicht zur Bildung von G:C-Paaren.

In einem zweiten Schritt erhitzten die Forscher die gemahlenen Cytosin- und Guanin-Pulver. „Tatsächlich konnten wir bei etwa 200 Grad Celsius die Entstehung von Cytosin-Guanin-Paaren beobachten“, berichtet Stolar. Um zu testen, ob die Basen unter thermischen Bedingungen nur so aneinander binden, wie es von der DNS bekannt ist, wiederholte das Team die Versuche mit Gemischen aus drei und vier Nukleinbasen an der Messstation P02.1 von DESYs Röntgenlichtquelle PETRA III, wo sich die detaillierte molekulare Struktur der Gemische beobachten ließ. Auf diese Weise konnte das Team verfolgen, ob und welche neuen Verbindungen sich während des Erhitzens bildeten.

„Bei ungefähr 100 Grad Celsius konnten wir die Entstehung von Adenin-Thymin-Paaren beobachten, bei rund 200 Grad Celsius von Guanin-Cytosin-Paaren“, erzählt Etter, Leiter der Messstation. „Andere Basenpaare entstanden auch bei weiterem Erhitzen bis zum Schmelzen nicht.“ Die durch Wärmezufuhr erreichte Reaktion besitzt also dieselbe Selektivität wie sie auch in der DNS zu beobachten ist.

„Unsere Ergebnisse zeigen eine mögliche alternative Route, wie die molekularen Erkennungsmuster entstanden sein könnten, die wir in der DNS beobachten“, ergänzt Stolar. „Die Bedingungen des Experiments sind für die junge Erde nicht unrealistisch, die eine heiße, brodelnde Hexenküche mit Vulkanen, Erdbeben, Meteoriteneinschlägen und allen möglichen weiteren Ereignissen war. Unsere Resultate eröffnen viele neue Wege für die Suche nach dem chemischen Ursprung des Lebens.“ Das Team will diese Route mit Folgeexperimenten an der Messstation P02.1 erkunden, die bereits in Planung sind.

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