Attosekunden-Durchbruch für Elektronen­mikroskopie

Attosekunden-Experimente in einem Transmissionselektronenmikroskop durch Kombination mit einem Dauerstrichlaser gelungen

13.11.2020 - Deutschland

Elektronenmikroskope geben uns Einblick in kleinste Materiedetails und können beispielsweise den atomaren Aufbau von Materialien, die Struktur von Proteinen oder die Form von Viruspartikeln sichtbar machen. Die meisten Materialien in der Natur sind jedoch nicht statisch, sondern interagieren, bewegen und formen sich ständig um. Eines der wichtigsten Phänomene ist die Wechselwirkung zwischen Licht und Materie, die zum Beispiel in Pflanzen, optischen Komponenten, Solarzellen, Displays oder Lasern allgegenwärtig ist. Diese Interaktionen – definiert durch Elektronen, die von den Oszillationen des Lichts bewegt werden – finden auf ultraschnellen Zeitskalen von Attosekunden statt, das heißt 10-18 Sekunden oder ein Milliardstel einer Milliardstelsekunde. Bisher war es nicht möglich, die mit solch extremen Geschwindigkeiten ablaufende Reaktionsdynamik von Licht und Materie direkt sichtbar zu machen.

(left) Andrey Ryabov, LMU Munich; (right) Mikhail Volkov, University of Konstanz

(Links) Ein Blick in ein Attosekunden-Transmissionselektronenmikroskop. (Rechts) Ein Dauerstrichlaser (rot) kreuzt sich mit einem Elektronenstrahl (blau) auf einer Membran. Das Laserlicht bündelt die Elektronen (blaue Welle) zu einem Attosekunden-Impulszug (modulierte Welle).

Jetzt gelang es einem Team aus Physikern der Universität Konstanz und der Ludwig-Maximilians-Universität München, ein Transmissionselektronenmikroskop (TEM) mit einem Dauerstrichlaser zu kombinieren und so den Prototyp eines Attosekunden-Elektronenmikroskops (A-TEM) zu entwerfen. Die Ergebnisse sind in der neuesten Ausgabe von Science Advances erschienen.

Modulation des Elektronenstrahls

„Grundlegende Phänomene in der Optik, Nanophotonik oder bei Metamaterialien laufen in Attosekunden ab, also in Zeitspannen kürzer als ein Lichtzyklus“, erklärt Prof. Dr. Peter Baum, Erstautor der Studie und Leiter der Arbeitsgruppe für Licht und Materie am Fachbereich Physik der Universität Konstanz. „Um ultraschnelle Wechselwirkungen zwischen Licht und Materie sichtbar machen zu können, ist eine Zeitauflösung unterhalb der Schwingungsdauer des Lichts erforderlich.“ Herkömmliche Transmissionselektronenmikroskope nutzen einen kontinuierlichen Elektronenstrahl, um eine Probe zu beleuchten und ein Bild zu erzeugen. Um solche Attosekunden-Zeitauflösung zu erreichen, verwendet Baums Arbeitsgruppe die schnellen Schwingungen eines Dauerstrichlasers zur zeitlichen Modulation des Elektronenstrahls im Inneren des Mikroskops.

Ultrakurze Elektronenimpulse

Eine dünne Membran, mit der die Wissenschaftler die Symmetrie der optischen Oszillationen der Laserwelle brechen, ist das Schlüsselelement in ihrem Experiment. In der laser-beleuchteten Membran werden die Elektronen in schneller Folge beschleunigt und verlangsamt. „Dies führt dazu, dass der Elektronenstrahl im Elektronenmikroskop in eine Reihe ultrakurzer Elektronenimpulse umgewandelt wird“, führt Postdoktorand Dr. Andrey Ryabov, Erstautor der Studie, aus. Mit einer weiteren Laserwelle, die von der ersten Welle abgespalten wird, wird ein optisches Phänomen in einem zu untersuchenden Objekt erzeugt. Mit den ultrakurzen Elektronenimpulsen werden dann das Objekt und seine Reaktion auf das Laserlicht gemessen. Durch Verstellen der optischen Verzögerung zwischen den beiden Laserwellen mittels eines piezoelektrischen Spiegels erhalten die Forscher dann filmartige Aufnahmen der elektromagnetischen Dynamik im Inneren der Probe mit Attosekunden-Auflösung.

Einfache Anpassung, große Auswirkung

„Der Hauptvorteil unserer Methode ist, dass wir den vorhandenen kontinuierlichen Elektronenstrahl im Inneren des Elektronenmikroskops nutzen, anstatt die Elektronenquelle zu verändern. Dadurch haben wir eine Million Mal mehr Elektronen pro Sekunde als in vorherigen Experimenten, also im Grunde die volle Helligkeit der Quelle, was die Grundvoraussetzung für jede praktische Anwendung ist“, fährt Ryabov fort. Ein weiterer Vorteil ist, dass die nötigen technischen Anpassungen am Mikroskop ziemlich einfach sind und keine Modifikationen der Elektronenkanone erfordern.

Dadurch ist es jetzt möglich, Attosekunden-Auflösung in einer ganzen Reihe von Raum-Zeit-Abbildungsverfahren zu erreichen, zum Beispiel in der zeitaufgelösten Holographie, der Wellenform-Elektronenmikroskopie oder der lasergestützten Elektronenspektroskopie. Langfristig könnte die neue Attosekunden-Elektronenmikroskopie dabei helfen, den atomaren Ursprung von Licht-Materie-Wechselwirkungen in komplexen Materialien und biologischen Substanzen besser zu verstehen und für Anwendungen zu optimieren.

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