Wie Stickstoff per Katalysator übertragen wird

Detailliertes Verständnis erlaubt es, künftig Katalysatoren für bestimmte Reaktionen maßzuschneidern und wichtige chemische Reaktionen gezielt zu steuern

16.11.2020 - Deutschland

Metallkatalysatoren können Stickstoff auf organische Moleküle übertragen. Bei solchen Reaktionen treten kurzlebige Verbindungen auf, deren Funktion für die Produktbildung durch die chemische Bindung von Metall und Stickstoff maßgeblich bestimmt wird. Die Struktur und chemische Bindung eines solchen Schlüsselintermediats für den Stickstoffatom-Transfer haben jetzt Chemiker der Universität Göttingen und der Goethe-Universität Frankfurt umfassend analysiert. Das detaillierte Verständnis des Reaktionsablaufs erlaubt es, künftig Katalysatoren für bestimmte Reaktionen maßzuschneidern und wichtige chemische Reaktionen gezielt zu steuern. 

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Symbolbild

Um neue Wirkstoffe für Medikamente oder innovative, molekulare Materialien mit neuen Eigenschaften herzustellen, müssen Moleküle gezielt modifiziert werden. Die Kontrolle der Selektivität solcher chemischen Transformationen ist eines der Hauptziele der Katalyse. Dies gilt insbesondere für komplexe Moleküle, die an mehreren Stellen reaktiv sein können, um im Sinne der Nachhaltigkeit unnötigen Abfall zu vermeiden. So ist z.B. der selektive Einschub einzelner Stickstoffatome in Kohlenstoff-Wasserstoff Bindungen von Zielmolekülen ein besonders interessantes Ziel der chemischen Synthese. Solche Stickstofftransfer-Reaktionen wurden in der Vergangenheit anhand von quantenchemischen Computersimulationen für molekulare Metallverbindungen dargestellt, bei denen einzelne Stickstoffatome an das Metall gebunden sind. Diese hochreaktiven Intermediate wurden bisher aber nicht experimentell beobachtet. Ein Zusammenwirken von experimentellen und theoretischen Untersuchungen solcher Metallonitren-Schlüsselintermediate ist daher für eine detaillierte Analyse und schließlich Nutzung katalytischer Stickstoffatom-Transferreaktionen sehr bedeutsam. 

Erstmals konnten nun Chemiker um Prof. Sven Schneider, Universität Göttingen, und Prof. Max Holthausen, Goethe-Universität Frankfurt, in Zusammenarbeit mit den Gruppen von Prof. Joris van Slageren, Universität Stuttgart und Prof. Bas de Bruin, Universität Amsterdam, ein solches Metallonitren direkt beobachten, spektroskopisch vermessen und quantenchemisch umfassend charakterisieren. Dazu wurde ein Platin-Azid-Komplex photochemisch in ein Metallonitren umgewandelt und mittels Photo-Kristallographie sowie magnetometrisch untersucht. Zusammen mit der theoretischen Modellierung gelang den Forschern nun die detaillierte Beschreibung eines sehr reaktionsfreudigen Metallonitrens, bei dem ein Stickstoffatom nur eine Bindung zum Metallatom aufweist und als Diradikal vorliegt, das heißt über zwei ungepaarte Elektronen verfügt. Die Wissenschaftler konnten ferner zeigen, wie die ungewöhnliche elektronische Struktur des Platin-Metallonitrens den gezielten Einschub des Stickstoffatoms, z.B. in C–H Bindungen anderer Moleküle, ermöglicht. 

Prof. Max Holthausen erklärt: „Die Erkenntnisse unserer Arbeit erweitern das grundlegende Verständnis der chemischen Bindung und der Reaktivität solcher Metallkomplexe entscheidend. Wir legen damit die Grundlage für eine rationale Syntheseplanung.“ Prof. Sven Schneider sagt: „Die Einschubreaktionen, die wir beschrieben haben, ermöglichen die Nutzung von Metallonitrenen für die selektive Synthese organischer Stickstoffverbindungen durch katalytischen Stickstoffatom-Transfer. Damit trägt diese Arbeit zur Entwicklung neuartiger, ‚grüner‘ Synthesen von Stickstoffverbindungen bei.“

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