Neues Supermikroskop für Proteinkristalle
Kombinationsverfahren spürt Mikrokristalle für die Strukturanalyse auf
DESY
Die räumliche Struktur von Proteinen verrät Wissenschaftlern etwas über die Funktionsweise dieser Biomoleküle. Das ist nicht nur für das Verständnis der Vorgänge im Organismus wichtig, sondern auch für die Entwicklung neuer Medikamente. So kann sich beispielsweise eine Proteinfunktion mit einem maßgeschneiderten Wirkstoff, der an die aktive Stelle des Biomoleküls bindet, gezielt blockieren lassen. Um die Struktur von Proteinen zu entschlüsseln, züchten Forscher in der Regel kleine Kristalle aus den Biomolekülen und beleuchten sie mit Röntgenstrahlung. Die Kristalle beugen die Röntgenstrahlung und erzeugen so ein charakteristisches Muster auf dem Detektor. Aus diesem Beugungsbild lässt sich die räumliche Struktur des Kristalls berechnen und damit auch die Struktur seiner einzelnen Bausteine, der Proteine.
Je heller und fokussierter das Röntgenlicht ist, desto kleinere Kristalle genügen für die Strukturanalyse. Das ist ein großer Vorteil, denn viele Proteine lassen sich nur widerwillig in Kristallform zwingen, weil dies in ihrer natürlichen Umgebung nicht vorkommen soll. Aus solchen Proteinen wachsen oft nur winzigste Kristalle. „Mit den immer besseren Röntgenlichtquellen steigt der Bedarf an Mikro- und Nanokristallen“, erläutert Betzel, der wie Kärtner auch Mitglied des Hamburg Centre for Ultrafast Imaging CUI ist.
Das Problem: Die Forscher müssen diese winzigen Kristalle in der Suspension erst einmal finden. Die Proteinkristalle sind jedoch nicht nur klein, sondern in der Regel auch durchsichtig und Salzkristallen nicht unähnlich. „Bei der Detektion dieser sehr kleinen Kristalle stößt man selbst unter Anwendungen sehr moderner Mikroskope seit Jahren an Grenzen“, betont Kärtner, der im Center for Free-Electron Laser Science CFEL arbeitet, einer gemeinsamen Einrichtung von DESY, Universität Hamburg und der Max-Planck-Gesellschaft. „Diese meist farblosen Proteinkristalle lassen sich in wässrigen Lösungen bei der Vorbereitung zu Messungen extrem schwer auffinden und werden oft übersehen“, ergänzt Qing-di Cheng, eine der beiden Hauptautorinnen und Doktorandin an der Universität Hamburg.
Das Team der Forscher entwarf daher ein spezielles Multiphotonenmikroskop (MPM) für Proteinkristalle. Es kombiniert zwei verschiedene Effekte, um die empfindlichen Kristalle sichtbar zu machen. Zum einen lässt es die Kristalle fluoreszieren. Zum anderen nutzt es den nichtlinearen Effekt, dass diese Kristalle bei Bestrahlung mit einem intensiven Laser auch Licht der halben und einer Drittel-Laserwellenlänge erzeugen, sogenannte Höhere Harmonische. Der Vorteil: In beiden Fällen leuchtet es im Mikroskopbild bei der entsprechenden Wellenlänge nur dort, wo sich ein Proteinkristall befindet, aber nicht in der Umgebung.
Das neue Multiphotonenmikroskop nutzt einen speziell entwickelten mehrfarbigen Faserlaser der intensive ultrakurze Laserblitze von nur einem Zehntel einer billionstel Sekunde (einer zehntel Pikosekunde) Dauer im Infrarotbereich erzeugt. Diese Pulse haben eine Wellenlänge von zunächst 1550 Nanometern. Durch eine Frequenzverdopplung erzeugt das System Laserpulse mit der halben Wellenlänge von 775 Nanometern, das liegt knapp außerhalb des sichtbaren Spektrums im nahen Infrarot. Zugleich produziert das System durch eine nichtlineare Wellenlängenkonversion Laserpulse mit 1300 Nanometern Wellenlänge. Mit beiden Pulsen wird die Probe beleuchtet.
„Das Multiphotonenmikroskop, das von einer solchen faserbasierten ultraschnellen Quelle getrieben wird, dient als eine robuste und kostengünstige Lösung für die Erkennung von Proteinkristallen durch Frequenzverdopplung, Frequenzverdreifachung, und Drei-Photonen-Fluoreszenz“, sagt Hsiang-Yu Chung, Postdoktorand am CFEL und der andere Hauptautor der Veröffentlichung.
Drei Prozesse machen die Kristalle nun sichtbar: Aus den Blitzen mit der kürzeren Wellenlänge erzeugen bestimmte Proteinkristalle Strahlungspulse mit der halben Wellenlänge, die sogenannte Zweite Harmonische. Sie leuchten in diesem Fall im ultravioletten (UV-)Bereich bei 387,5 Nanometern. Die Blitze der größeren Wellenlänge von 1300 Nanometern erzeugen in den meisten Proteinkristallen die Dritte Harmonische, also Pulse mit einem Drittel der Wellenlänge. Die resultierende Strahlung bei 433 Nanometern liegt am blauen Ende des sichtbaren Spektrums.
Die kürzere Wellenlänge ist zudem so gewählt, dass sie bei der Aminosäure Tryptophan, die in Proteinen vorkommt, eine Fluoreszenz auslösen kann. Dazu müssen Elektronen in dieser Aminosäure jeweils gleich drei Photonen (Lichtteilchen) auf einmal aus dem Laserblitz absorbieren. Das ist möglich, wenn die Dichte der Laserphotonen groß genug ist. Dazu wird der Laser scharf fokussiert. Nur im Fokus kann diese Mehrfachabsorption stattfinden, von der Multiphotonenmikroskope ihren Namen haben. Bei dem neuen Proteinmikroskop liegt die resultierende Fluoreszenz wiederum im UV-Bereich, während das eingestrahlte Laserlicht aus dem Infrarotbereich stammt. So lässt sich das erzeugte vom eingestrahlten Licht gut trennen und das Leuchten der Proteinkristalle zuverlässig nachweisen.
Im Labor konnte die Technik ihre Funktion bei Suspensionen mit verschiedenen Mikrokristallen unter Beweis stellen. Winzige Kristalle aus den Proteinen Lysozym, Thaumatin, Thermolysin und PAK4 ließen sich zuverlässig nachweisen. „Kommerziell erhältliche Mikroskopsysteme, die für diese Anwendungen zur Verfügung stehen, haben nur einen begrenzten Leistungsbereich und insbesondere eine viel geringere Empfindlichkeit und können nicht zuverlässig zwischen Proteinkristallen und Salzkristallen unterscheiden“, fasst Chang zusammen. „Das von uns beschriebene MPM-System dürfte in der Community der Strukturbiologie, insbesondere in Laboren an Röntgenstrahlungsquellen, aber auch in Institutionen und Laboren, die beispielsweise in der Neurobiologie arbeiten, starkes Interesse finden.“
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