Bakterien-Nadel unter dem Elektronenmikroskop

Forscher beobachten erstmals das Injektisom gram-negativer Bakterien in Aktion

15.03.2021 - Deutschland

Zum ersten Mal haben Forscher eine winzige Protein-Spritze in Aktion beobachtet, mit deren Hilfe Bakterien wie Salmonellen menschliche Zellen infizieren. Die Forschungsgruppe von Thomas Marlovits am Zentrum für Strukturelle Systembiologie (CSSB) bei DESY hat dieses sogenannte Typ-III-Sekretionssystem gram-negativer Bakterien dazu auf molekularer Ebene abgebildet. Die im Fachblatt „Nature Communications“ veröffentlichte Studie verbessert den Forschern zufolge das Verständnis der Interaktionen von Wirt und Pathogen und kann zur Entwicklung neuartiger Therapien zur Behandlung von bakteriellen Infektionen aber auch gegen andere Krankheiten beitragen.

CSSB, Thomas C. Marlovits

Struktur des Typ-III-Sekretiosnsystems von Salmonellen, aufgenommen mit dem Kryo-Elektronenmikroskop. Der Schnitt durch den Komplex (rechts), zeigt in Magenta ein bakterielles Giftstoffprotein während des Transports durch die enge Nadelkanüle. Für den erfolgreichen Transport müssen sich Giftstoffproteine komplett entfalten und nehmen eine neue Form an. Die Proteine, die den Exportapparat und den Nadelfilament-Sekretionskanal bilden, sind ebenfalls eingefärbt. Die Forscher konnten mit dem hochauflösenden Kryo-Elektronenmikroskop am CSSB erstmals ein bakterielles Protein im Inneren des Nadelkomplexes beobachten.

Um ihren menschlichen Wirt zu infizieren, sind viele gram-negative Bakterien wie Salmonellen oder Pesterreger auf das Typ-III-Sekretionssystem angewiesen, das auch als Injektisom bezeichnet wird. Jedes einzelne Bakterium hat mehrere dieser spritzenförmigen Injektisome, die aus seiner Oberfläche herausragen. Wie der Name nahelegt, sind die Injektisome dafür verantwortlich, bakterielle Proteine in menschliche Zellen zu injizieren. Einmal in der Zelle angekommen, dringen diese bakteriellen Proteine in das zelluläre Gewebe ein und sorgen für die Ausbreitung der Infektion.

Die Arbeitsgruppe von Marlovits hat die molekularen Mechanismen des Nadelkomplexes des Injektisoms über mehrere Jahre hinweg erforscht. „Der Nadelkomplex ist eine zylindrische Struktur und stellt den prominentesten Teil des Injektisoms dar“, erläutert Marlovits der auch Professor am Hamburger Universitätsklinikum Eppendorf (UKE) ist. „Er ermöglicht den bakteriellen Giftstoffen in Form spezifischer Proteine den reibungslosen Übergang vom Zytoplasma des Bakteriums über mehrere Membranen hinweg direkt in die menschliche Wirtszelle.“

Durch den Nadelkomplex können bis zu 60 bakterielle Proteine pro Sekunde wandern, wie andere Untersuchungen gezeigt haben. Diese für das Bakterium sehr vorteilhafte hohe Sekretionsrate erschwert den Forschern, diesen wichtigen Prozess zu visualisieren und zu verstehen. „Um diese Hürde zu meistern, haben wir mit einem Trick ein einzelnes bakterielles Protein innerhalb des Nadelkomplexes eingefangen“, berichtet Sean Miletic, einer der Hauptautoren der Studie. Miletics Kollege Jiri Wald konnte dann mit einem sogenannten Kryo-Elektronenmikroskop am CSSB hochauflösende Bilder von den feinen Bewegungen des Proteins innerhalb des Nadelkomplexes aufnehmen.

Die hochauflösenden Bilder liefern nicht nur neue Einblicke in die Struktur des Nadelkomplexes, sondern bestätigten auch die essenzielle Rolle des Exportapparats (EA), der als Eintrittspforte fungiert. „Die Strukturelemente des Exportapparats fungieren sowohl als Tor als auch als Wegweiser, um bakterielle Proteine zu erfassen und zur Nadelspitze zu lenken“, erklärt Ko-Autor Dirk Fahrenkamp aus der CSSB-Arbeitsgruppe, der auf Basis der Bilder ein atomares Modell des Nadelkomplexes erstellt hat.

Das Verständnis und die Visualisierung der molekularen Mechanismen, mit denen Bakterien in menschliche Zellen eindringen, ist entscheidend für die Entwicklung neuartiger Therapien, die Infektionen gezielt und intelligent bekämpfen können. „Während diese Ergebnisse unser Verständnis des Typ-III-Sekretionssystems bereichern, ist diese Studie auch insofern bemerkenswert, als es sich um eine echte Gemeinschaftsarbeit handelt“, betont Marlovits. „Nicht nur, dass jeder der vier Erstautoren der Studie sein eigenes wichtiges Fachwissen beigesteuert hat, sondern auch die Zusammenarbeit mit weiteren Mitarbeitern der Forschungsgruppe als auch der Kryo-Elektronenmikroskopanlage und die Unterstützung durch das CSSB-Medienlabor waren für den Erfolg dieser Studie entscheidend."

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