GHS und Gefahrenkommunikation: Viele Fragen bleiben offen

Experten aus Europa und den USA trafen sich auf Fresenius-Konferenz: „Ein schwieriger Weg zur Harmonisierung“

03.05.2010 - Deutschland

Das Global harmonisierte System zur Einstufung und Kennzeichnung von Chemikalien (Globally Harmonised System of Classification and Labelling of Chemicals, kurz: GHS) ist ein System der Vereinten Nationen, um gefährliche Chemikalien zu identifizieren und die Anwender über die Gefahren mittels Sicherheitsdatenblätter sowie einheitlicher Symbole und Hinweise auf Verpackungsetiketten zu informieren. In europäisches Recht umgesetzt wurde das GHS durch die Verordnung über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen (CLP-Verordnung). Nach einer Übergangszeit ersetzt die CLP-Verordnung die gegenwärtigen Bestimmungen über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen (Richtlinie 67/548/EWG) und Gemischen (Richtlinie 199/45/EG): Ab 1. Dezember 2010 sind Stoffe nach den GHS-Vorgaben einzustufen und zu kennzeichnen, für Gemische gilt dies ab 1. Juni 2015. Während die Fristen recht klar sind, bleiben viele Fragen unbeantwortet. Experten aus Politik, Wissenschaft und Industrie diskutierten aktuelle Themen auf der internationalen Konferenz „Implementig the GHS“, die vom 26. bis 27. April in Köln auf Einladung der Akademie Fresenius und des SGS Institut Fresenius stattfand. Das Einstufungssystem des GHS basiert auf den Kriterien und Prüfverfahren für die Gefahreneinstufung, die für den Transport gefährlicher Güter gelten. Diese Kriterien und Prüfverfahren wurden gewählt, weil sie bereits international anerkannt waren. Allerdings lässt sich das Transport-System nicht immer adäquat auf die Bereiche Lieferung und Anwendung übertragen, sagte Cordula Wilrich (Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung) auf der Fresenius-Konferenz: „Das Transport-System berücksichtigt nicht nur die Stoffeigenschaften, sondern auch andere Eigenschaften wie die Verpackungsart oder die einzustufende Stoffmenge.“ Transporteinstufungen basieren auf Rangfolgeregeln, die auf die Identifizierung von Hauptgefahren abzielen, während beim GHS alle Gefahren ohne Anwendung von Rangfolgeregeln bestimmt werden.“

Lückenhafte Einstufung - Forderung einer EU-Arbeitsgruppe

Wilrich nannte noch weitere Probleme: Prüfverfahren für Stoffe und Gemische mit explosiven Eigenschaften waren in der Vergangenheit relativ einfach, da sie auf den „intrinsischen“ Merkmalen fußten. Künftig kommt ein komplexes Einstufungsverfahren zum Einsatz, das für den Transport entwickelt wurde. Außerdem gibt es derzeit keine angemessene Einstufung von desensibilisierten explosiven Stoffen, chemisch instabilen Gasen und für Stoffe, die mit Wasser giftige Gase entwickeln. „Jedes Ergebnis auf UN-Ebene wirkt sich auf Anhang I der CLP-Verordnung aus. Insofern sind Kriterien und Prüfverfahren der Chemiegesetzgebung nicht mir in europäischer Hand“, betonte Wilrich. Die Europäische Union sollte ihre Aktivitäten auf UN-Ebene koordinieren und eine Arbeitsgruppe einrichten. Wilrich: „Solch eine Arbeitsgruppe könnte eine gemeinsame Linie finden, ihre Aktivitäten organisieren und somit Streitfragen im Vorfeld klären.“

Kennzeichnung: Kleine Verpackungen - große Probleme

Luc Turkenburg (Europäisches Konzil der Lack-, Druckfarben- und Künstlerfarbenindustrie - CEPE) sprach über praktische Probleme, denen sich viele Industriebranchen stellen müssen: Mit der Umsetzung des GHS habe ein „Kampf um Platz auf dem Etikett“ begonnen. Verglichen mit der Richtlinie über gefährliche Zubereitungen (DPD) hat die CLP-Verordnung einige Nachteile, berichtete Turkenburg. So steigen die Textmenge und die Zahl der Gefahr- und Warnhinweise sowie die Produktkennzeichnungen um 25 bis 100 Prozent an. Die Zahl der Piktogramme ist bestenfalls gleich, in vielen Fällen aber höher. Außerdem benötigen Rauten derselben Größe wie Quadrate doppelt soviel Platz. „Wir werden mehr Platz auf dem Etikett benötigen, um die notwendige Information zu kommunizieren“, folgerte Turkenburg. Internationaler Handel bedeutet, dass die Information in verschiedenen Sprachen vorgehalten werden muss - eine zusätzliche Herausforderung. Getrennte Sortimente nach Regionen sind eine mögliche, Platz sparende Lösung, die aber aus logistischen und wirtschaftlichen Gründen nicht wünschenswert ist. Die CLP-Verordnung sieht alternative Kennzeichnungsmöglichkeiten wie beispielsweise ausfaltbare Etiketten vor. „Allerdings akzeptieren die EU-Mitgliedstaaten diese neue Optionen nicht ohne weiteres, indem sie argumentieren ‚Booklets sind in Ordnung, solange meine Sprache auf Seite 1 steht’“, schränkte Turkenburg ein.

Stand der Umsetzung im asiatisch-pazifischen Raum: Keine vollständige Harmonisierung, aber Handel wird einfacher

Da das GHS in Ländern und Regionen weltweit eingeführt wird, müssen sich Unternehmen über neue Gesetze informieren und diese im Sinne der Regelkonformität ausdeuten. Die Länder im asiatisch-pazifischen Raum legen bei der GHS-Umsetzung im weltweiten Vergleich ein hohes Tempo vor, berichtete Karon Armstrong (3M, USA) auf der Fresenius-Konferenz. „Angesichts des Handlungsspielraums, den die Behörden bei der Einführung und Umsetzung des GHS haben, wird es eine vollständige Harmonisierung wahrscheinlich nie geben. Doch die steigende Wahrnehmung der Gefahrenkommunikation in der Region und die Anwendung ähnlicher GHS-Elemente werden am Ende wirtschaftliche Aktivitäten im asiatisch-pazifischen Raum vereinfachen“, ist Armstrong überzeugt.

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