microRNAs als mögliche Biomarker zur Früherkennung von Krankheiten wie Parkinson
Bei frühzeitiger Diagnose könnten die im Körper ablaufenden Kettenreaktionen verlangsamt werden
Rüdiger Koop / Universität des Saarlandes
Parkinson, eine der häufigsten Nervenkrankheiten der Welt, wird meist erst spät erkannt. Dabei haben die zerstörerischen Prozesse im Körper und die Schädigung von Nervenzellen im Gehirn schon Jahre zuvor begonnen. Wenn die Betroffenen sich zunehmend langsam wie gegen einen Widerstand bewegen, ihre Muskeln steif werden und das unkontrollierbare Zittern beginnt, ist die Krankheit bereits weit fortgeschritten. Bei frühzeitiger Diagnose könnten die im Körper ablaufenden Kettenreaktionen verlangsamt, vielleicht künftig sogar gestoppt werden. Noch aber ist zu wenig über deren Ursachen und Verlauf bekannt.
Die Forschung von Caroline Diener, Doktorandin von Professor Eckart Meese am Institut für Humangenetik der Universität des Saarlandes, könnte dazu beitragen, besser zu verstehen, was genau bei Krankheiten wie Parkinson oder auch Krebs auf zellulärer Ebene im Körper passiert. Die Humangenetikerin erforscht entscheidende Akteure in der Kettenreaktion: die microRNAs, Biomoleküle, die Signalwege in Zellen steuern. In ihrer Forschung arbeitet sie daran, bestimmte Muster von microRNA-Tätigkeit mit Zellzuständen in Verbindung zu bringen. Ziel dabei ist es, „gesunde“ und „kranke“ Zustände unterscheiden und damit erkennen zu können. Auch erforscht sie die Funktionen bestimmter microRNAs und sucht nach Wegen, die Zellfunktion gezielt zu manipulieren.
Ebenso wie bei Erkrankungen wie Krebs spielt auch bei Parkinson die Signalübertragung im Körper eine tragende Rolle. Um die Körperfunktionen in Gang zu halten, laufen in unserem Inneren pausenlos und millionenfach bis ins Kleinste ausgefeilte Prozesse nach festgelegtem Plan ab. Damit etwa neue Zellen gebildet oder Viren angegriffen werden, werden bestimmte Ketten von Befehlen und Signalen abgegeben – ein hochkompliziertes Zusammenspiel vieler Protagonisten.
Zu den Hauptdarstellern hierbei gehört die m(essenger)RNA, die Boten-Ribonukleinsäure: Sie gibt die genetische Information für den Aufbau von Proteinen in einer Zelle weiter. Dabei beeinflussen microRNAs in vielen Fällen, dass dies so funktioniert, wie es soll: „microRNAs haben weitreichende Auswirkungen auf zelluläre Funktionen, sie tragen entscheidend dazu bei, dass die Herstellung von Proteinen kontrolliert werden kann und spielen somit eine zentrale Rolle bei der Regulation der Genexpression“, sagt Caroline Diener. Das heißt: microRNAs sorgen dafür, die Menge von Proteinen innerhalb der Zelle zur regulieren.
Ändern die microRNAs etwas an diesen Expressions-Prozessen, dann hat das große Auswirkungen: So können microRNA-Veränderungen etwa auch in Zusammenhang mit Erkrankungen wie Tumoren oder neurodegenerativen Erkrankungen stehen. Caroline Diener forscht daran, mehr hierüber herauszufinden. Und zwar speziell in T-Zellen, zentralen Zellen des Immunsystems: Diese spüren als „Killerzellen“ infizierte oder geschädigte Zellen oder auch Krebszellen auf und zerstören sie; oder sie alarmieren als „Helferzellen“ über Botenstoffe andere Immunzellen. „Es geht darum herauszufinden, wie genau die Aktivierung der ruhenden T-Zelle reguliert wird, damit sie ihre gezielte Funktion erfüllen kann“, erklärt Caroline Diener.
Im Rahmen ihres Promotionsprojektes nahm Diener die T-Zell-Aktivität unter die Lupe, und untersuchte die Rolle von microRNAs. In Experimenten mit aus menschlichem Blut gewonnenen T-Zellen beobachtete sie jeweils über 24 Stunden, wie sich im Zeitverlauf die Expression von messengerRNAs und microRNAs änderte. „Hierbei ist es gelungen, microRNAs mit deutlichen Expressionsveränderungen zu identifizieren. Bei Versuchswiederholungen und Untersuchungen mit unterschiedlichen gesunden Probanden ergab sich eine hohe Ähnlichkeit der Ergebnisse und damit eine Wiederholbarkeit, wie es für Biomarker erforderlich ist“, sagt Diener zu ihren Ergebnissen. „Es stellt sich daher die Frage, wie sich microRNA-Zeitverlaufsmuster im Falle einer veränderten T-Zell-Aktivität ändern und ob entsprechende Zeitverlaufsuntersuchungen genutzt werden könnten, um Hinweise auf T-Zell-gekoppelte Erkrankungen zu gewinnen“, erläutert sie.
Für ihre Arbeit hat die Nachwuchsforscherin jetzt den Preis der Hans-und-Ruth-Giessen-Stiftung erhalten. Mit dem Preisgeld in Höhe von 25.000 Euro will sie Zeitverlaufsstudien gezielt an T-Zellen von Menschen mit Parkinson-Erkrankungen durchführen und T-Zell-basierte Krankheitsmechanismen erforschen. „Es gibt zunehmend Hinweise darauf, dass bei Parkinson eine veränderte Immunfunktion zur Krankheitsentstehung beiträgt“, erklärt Diener. Gelingt ihr der Nachweis von micoRNAs mit spezifischen Mustern von Expressionsveränderungen, könnte ein wichtiger Biomarker gefunden sein, mit dem durch einfache Blutuntersuchung eine frühe Diagnose von Parkinson möglich würde.
Wenn die Abläufe und Zusammenhänge von T-Zell-Aktivität und Expressionsmustern der microRNAs besser verstanden werden, könnte darüber hinaus versucht werden, gezielt einzugreifen, etwa indem die T-Zell-Aktivität gefördert oder gehemmt wird, was den Weg für neuartige Therapieformen ebnen könnte.
Für ihre Forschung arbeitet Caroline Diener an der Universität und am Universitätsklinikum des Saarlandes außer am Institut für Humangenetik auch mit Arbeitsgruppen des Zentrums für Bioinformatik, dem Institut für Virologie sowie der Transplantations- und Infektionsimmunologie und künftig auch mit der Klinik für Neurologie zusammen. Hieraus ging bereits eine große Zahl von Veröffentlichungen unter anderem zu vergleichenden Expressionsanalysen und funktionellen microRNA-Untersuchungen hervor.