Verblüffend verdrehte Nanopartikel
Genaue Orientierung hat Einfluss auf Form, Größe und Wirkung
DESY, Vedran Vonk
Katalysatoren funktionieren oft mit bestimmten Metallen wie Platin, Rhodium oder Palladium, die erwünschte chemische Reaktionen begünstigen, ohne dabei selbst verbraucht zu werden. So fördert auch der Abgaskatalysator im Auto die Oxidation von giftigem Kohlenmonoxid zu Kohlendioxid und die Reduktion schädlicher Stickoxide. Die Metalle liegen dabei meist in Form von Nanopartikeln vor, weil sich so mit derselben Materialmenge eine größere Oberfläche schaffen lässt.
In der Regel befinden sich die aktiven Zentren der Katalysatornanopartikel an deren Ecken und Kanten. Form und Größe der Partikel können daher erheblichen Einfluss auf Funktion und Effizienz haben. Wie dies genau zusammenhängt und auf welche Weise sich die Struktur der Nanopartikel beeinflussen lässt, beginnen Wissenschaftler allerdings erst zu verstehen.
„Die Details von Aufbau und Funktion von Katalysatoren sind in vielen Fällen noch nebulös“, erläutert DESY-Forscher Vedran Vonk aus dem Nanolab. „Wenn wir wüssten, was beispielsweise die optimale Form und Größe der Nanopartikel sind, ließen sich Katalysatoren mit Sicherheit deutlich verbessern und günstiger machen. Insbesondere die Rolle der genauen Orientierung der Partikel auf ihrem Trägermaterial ist zum größten Teil unerforscht. Wir gehen davon aus, dass in gegenwärtigen Katalysatoren rund 90 Prozent des Metalls nichts zur Funktion beitragen.“
Für seine systematische Untersuchung ließ das DESY-Team Palladium-Nanopartikel auf einem Träger aus Magnesiumoxid wachsen. „Beides sind typische Materialien für verschiedene Katalysatoren, daher kann das von uns untersuchte System als Modell für zahlreiche Anwendungen dienen, darunter auch der Abgaskatalysator im Auto, in demallerdings meistens Platin eingesetzt wird“, betont Hauptautor Simon Chung aus dem DESY-Nanolab.
Für die Studie bedampften die Forscher den Magnesiumoxid-Träger mit Palladium und analysierten mit dem hellen Röntgenlicht von DESYs Forschungslichtquelle PETRA III Größe und Orientierung der entstandenen Nanopartikel. „Es zeigt sich klar eine bevorzugte Orientierung der Nanopartikel“, berichtet Dmitri Novikov, Leiter der Messstation P23, an der die Untersuchung stattgefunden hat. „Sie orientieren sich am Kristallgitter des Magnesiumoxidträgers und wachsen fast alle in einer bestimmten Richtung und Größe.“ Aber eben nur fast alle. Denn etwa eins von hundert Nanopartikeln orientiert sich ganz leicht gegen die Vorzugsrichtung gedreht.
„Das war eine Überraschung: Es gibt neben der Hauptorientierung eine zweite Vorzugsrichtung, die um nur 3,7 Grad nach rechts oder links gegen die Hauptorientierung gedreht ist“, erläutert Jan-Christian Schober, der über dieses Thema seine Masterarbeit an der Universität Hamburg geschrieben hat. „Etwa ein Prozent der Partikel besitzt diese zweite Orientierung und dabei auch eine etwas andere Form.“ Dadurch unterscheiden sich auch die Ecken und Kanten mit den aktiven Zentren der beiden Partikelarten, und sie verhalten sich im Betrieb unterschiedlich.
Das Team hat den Betrieb simuliert, wobei es die Partikel auf mehr als 400 Grad Celsius aufgeheizt und die Oxidations- und Reduktionsreaktionen gemessen hat. Bei diesen Reaktionen ändern die Nanopartikel üblicherweise ihre Form, was wiederum mit einer Änderung der aktiven Zentren einhergeht. Die Betriebsdaten für beide Nanopartikelarten unterscheiden sich erheblich, in diesem komplexen Zusammenspiel lässt sich jedoch noch keine einfache Antwort auf die Frage geben, welche Partikelart besser funktioniert.
„Wenn wir die Position aller Atome kennen würden und dazu die Bedeutung jedes einzelnen Atoms für die Katalyse wüssten, ließe sich der optimale Katalysator für jede Anwendung maßschneidern”, sagt Vonk. Das ist im Moment noch nicht möglich. In einem neuen Sonderforschungsbereich mit dem Titel „Verfolgung der aktiven Zentren in heterogenen Katalysatoren für die Emissionskontrolle (TrackAct)“ wollen Forscher von DESY und dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT) genau dies nun erkunden. Die Untersuchung der Palladium-Nanopartikel ist bereits ein erster Schritt auf diesem Weg. „Wir gehen davon aus, dass unsere Beobachtung qualitativ ganz allgemein für Katalysator-Nanopartikel auf einem Trägermaterial gilt“, betont Vonk.