Röntgenlaser filmt Antibiotikaresistenz in Zeitlupe
European XFEL zeigt ultraschnelle Reaktion eines Bakterienenzyms
Resistenzen entstehen unter anderem, wenn Bakterien die Fähigkeit erwerben, die gegen sie eingesetzten Antibiotika zu inaktivieren. Viele resistente Bakterien bilden das Enzym Beta-Lactamase, das beta-Lactamantibiotika unwirksam machen kann, die zu den am häufigsten eingesetzten Antibiotika zählen. Die Forscher unter Leitung von Marius Schmidt von der University of Wisconsin-Milwaukee haben nun am European XFEL den ersten Schritt dieser Inaktivierung untersucht und beobachtet, wie das Antibiotikum innerhalb von Millisekunden (tausendstel Sekunden) an Beta-Lactamase aus resistenten Tuberkulose-Bakterien bindet. Außerdem gingen die Forschenden der Frage nach, wie der Enzym-Inhibitor Sulbactam mit dem Bakterienenzym reagiert. Sulbactam kann, gleichzeitig mit den Antibiotika verabreicht, deren Wirksamkeit wiederherstellen, indem es an das Bakterienenzym bindet. Die so blockierte Beta-Lactamase kann die Antibiotika nicht mehr unwirksam machen, so dass diese wieder wirken.
Für die Untersuchung von Biomolekülen mit Röntgenstrahlen werden bislang noch Kristalle benötigt. Solche Kristalle bestehen aus Millionen einzelner Enzymmoleküle in einer regelmäßigen Anordnung in allen drei Dimensionen. Ausreichend große Kristalle produzieren helle Röntgenbeugungsmuster, aus denen sich die räumliche Struktur der einzelnen Moleküle und Verbindungen im Kristall berechnen lässt.
„Wir möchten die Röntgenmessungen zu einer exakten Zeit machen, nachdem die Enzymmoleküle in den Kristallen mit dem Antibiotikum in Kontakt gebracht wurden", erläutert DESY-Ko-Autor Henry Chapman vom Center for Free-Electron Laser Science CFEL. „Wenn die Kristalle jedoch ausreichend groß für gute Röntgenmessungen sind, kann es mehrere Sekunden dauern, bis die Antibiotika-Lösung durch den Kristall diffundiert ist, so dass sich schnellere molekulare Veränderungen nicht mehr erfassen lassen.“ Erst mit den Freie-Elektronen-Röntgenlasern (X-ray Free-Electron Laser, XFEL), deren extrem intensive Röntgenpulse tausende Male hellere Belichtungen ermöglichen als bisherige Röntgenquellen, können ausreichend kleine Kristalle für derartige Untersuchungen durchleuchtet werden. „Dabei ist die Diffusion schneller als die eigentliche Reaktion, so dass die Details der Reaktion beobachtet werden können“, sagt Chapman, der auch Mitglied des Exzellenzclusters CUI: Advanced Imaging of Matter von Universität Hamburg und Partnerinstitutionen ist.
Dieses spezielle Mix-and-Inject-Verfahren erfordert maßgeschneiderte Injektoren, die von der Arbeitsgruppe von Lois Pollack von der Cornell Universität in Ithaca (US-Bundesstaat New York) für das Experiment bereitgestellt wurden. Die Methode ermöglicht atomgenaue Zeitlupenaufnahmen von schnellen Prozessen, and denen Enzyme und anderen Biomoleküle beteiligt sind.
„Enzyme wie Beta-Lactamase sind für die Medizin von großer Bedeutung“, erklärt Marius Schmidt. „Röntgenlaser wie der European XFEL ermöglichen es heute, sehr viel kleinere Kristalle als früher zu untersuchen. Unser Experiment hat gemeinsam mit früheren Ergebnissen gezeigt, wie Röntgenlaser künftig als wichtiges Werkzeug der biologischen Forschung genutzt werden können.“
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