Der feine Unterschied: Organoide von Pankreastumoren ermöglichen zellgenaue Diagnostik

Wertvolles experimentelles Modell für zukünftige Therapien

16.11.2021 - Deutschland

Krebs der Bauchspeicheldrüse hat keine gute Prognose: Oft werden die Tumoren zu spät erkannt und sind dann nur noch schlecht behandelbar. Ein kleiner Teil der Patienten überlebt jedoch die Diagnose jahrelang. Wissenschaftler vom Berlin Institute of Health in der Charité (BIH) haben nun Organoide aus verschiedenen Pankreastumoren im Labor gezüchtet, an denen sie einzelne Zelltypen identifizieren und verschiedene Medikamente auf ihre Wirkung testen konnten. Dies ermöglicht die patientenspezifische Diagnostik und eröffnet die Chance einer zielgerichteten Therapie.

Die Diagnose Bauchspeicheldrüsenkrebs ist oft fatal: Mehr als 90 Prozent der Patienten versterben innerhalb der ersten fünf Jahre nach der Diagnose. Erstaunlicherweise überlebt aber ein kleiner Teil der Betroffenen langfristig. „Wir wollten herausfinden, woran das liegt, wie sich die verschiedenen Tumoren voneinander unterscheiden“, erklärt Professor Christian Conrad, der am BIH die Abteilung für Intelligent Imaging, intelligente Bildgebung, leitet. „Wir haben daher aus Patiententumoren die Krebsstammzellen isoliert und aus diesen im Labor Organoide gezüchtet, eine Art Minitumoren. Und an diesen konnten wir die Unterschiede analysieren.“

Biopsien-Bank für Organoide

Von ihren Kooperationspartnern am Europäischen Pankreaszentrum in Heidelberg erhielten die Wissenschaftler*innen um Christian Conrad Proben aus insgesamt 18 Tumoren und zwei Metastasen. Aus diesen bauten sie eine Biopsien-Biobank auf, aus der sie anschließend Organoide im Labor züchteten. „Mittels RNA-Sequenzierung einzelner Zellen haben wir dann die Zusammensetzung dieser Organoide untersucht. Außerdem haben wir in einem Screen per Mikroskopie nachverfolgt, wie die Organoide auf eine Behandlung mit verschiedenen Chemotherapeutika ansprechen, ob die Zellen weiterwachsen oder ob sie absterben“, berichtet Erstautorin Teresa Krieger.

Die Ergebnisse überraschten die Wissenschaftler. „Bislang wurden die Adenokarzinome der Bauchspeicheldrüse in zwei Typen eingeteilt: in den so genannten basalen Tumortyp, der besonders aggressiv wächst, und den klassischen Typ. Wir haben mithilfe unserer Einzelzellanalysen gesehen, dass in den Tumoren Zellen von beiden Typen gemischt vorkommen“, berichtet Teresa Krieger. Das Team konnte auch erkennen, wie sich die Tumoren entwickeln: Ausgehend von Tumorstammzellen, die das Wachstum der Tumoren antreiben, bilden sich in unterschiedlichen Anteilen die stark wachsenden „basalen“ Tumorzellen sowie ausdifferenzierte funktionierende „klassische“ Zellen der Bauchspeicheldrüse, die etwa Verdauungsenzyme produzieren.

Wertvolles experimentelles Modell für zukünftige Therapien

Christian Conrad fasst zusammen: „Der Verdacht, dass die beiden Subtypen nicht so klar voneinander zu trennen sind wie ursprünglich gedacht, bestand schon länger. Wir haben jetzt erstmals gezeigt, dass beide Zelltypen tatsächlich nebeneinander im selben Tumor vorkommen und sich in einer Art Hierarchie aus den Tumorstammzellen entwickeln. Außerdem haben wir festgestellt, dass in unseren Organoidkulturen Tumoren mit einem höheren Anteil an ‚klassischen‘ Zellen besser auf Chemotherapeutika ansprechen.“ Damit konnten die Wissenschaftler vom BIH demonstrieren, dass Organoide ein wertvolles experimentelles Modell für Pankreas-Adenokarzinome sind. In Zukunft könnten sie dazu genutzt werden, in Hochdurchsatzverfahren neue Chemotherapeutika für Pankreaskrebs zu entwickeln und zu testen.

Um das Modell noch zu verfeinern, möchte Christian Conrad im nächsten Schritt auch Organoide züchten, in denen nicht nur Tumorzellen, sondern auch die umliegenden gesunden Zellen vorkommen, etwa Immun- oder Bindegewebszellen. „Das ist wichtig, weil diese Zellen die Entwicklung von Tumoren unterstützen oder auch behindern können – ein weiterer Ansatzpunkt für zukünftige personalisierte Therapien.“

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