Infektion mit HIV: Das Reservoir des Virus im Körper besser verstehen
Forscher haben eine Methode entwickelt, mit der ruhende menschliche Immunzellen erstmals detailliert genetisch untersucht werden können
pixabay.com
Für genetische Manipulationen waren ruhende CD4+ T-Zellen kaum erreichbar, weil die verfügbaren Methoden in der Regel sich teilende Zellen voraussetzen, wie Keppler erklärt. „Und ruhende Zellen teilen sich per Definition nicht.“ Als ersten Schritt bei der Entwicklung der neuen Methode optimierte das Wissenschaftler-Team zunächst die Kultivierungsbedingungen. Dadurch konnten die Forscher diese Zellen nach der Entnahme aus dem Blut gesunder Spender nicht nur wie bisher drei bis vier Tage im Labor am Leben halten, sondern bis zu sechs Wochen. Den entscheidenden Fortschritt brachte dann die Weiterentwicklung der sogenannten Nukleofektion, einer speziellen Methode, mit der Reagenzien in den Kern einer Zelle gebracht werden können. Mit dieser Methode schleusten die Forscher die Genschere CRISPR-Cas in ruhende CD4+ T-Zellen ein, mit der das Genom dieser Wirtszellen gezielt verändert werden kann, etwa indem mittels sogenannter „Knock-Outs“ Gene ausgeschaltet werden. „Diese Kombination hat hoch effizient funktioniert, sodass wir rund 98 Prozent der Zellen erreichen und genetisch manipulieren konnten – und zwar ohne die CD4+ T-Zellen dabei zu aktivieren“, sagt Keppler. „Besonders spannend war für uns, dass wir mit einer einzigen Nukleofektion bis zu sechs Gene gleichzeitig mit hoher Effizienz ausschalten konnten. Das hat bisher noch niemand in Primärzellen geschafft – und das bei Zellen, die aus einem intakten Organ isoliert wurden.“
Knock-In von Genen
Auf diese Weise können die Forscherinnen und Forscher zukünftig einzelne Gene und ganze Signalwege ausschalten und deren Funktion analysieren. Bereits jetzt konnten sie durch Knock-Out der entsprechenden Gene für vier bisher kontrovers untersuchte zelluläre Faktoren klären, ob diese für die Infektion mit HIV eine Rolle spielen oder nicht.
Zusätzlich verfolgten sie noch einen zweiten Ansatz, den sogenannten „Knock-In“. Dabei werden zusätzliche oder leicht veränderte Gene eingefügt, etwa für das grün fluoreszierende Protein (GFP). Mithilfe dieses Proteins kann analysiert werden, wie sich die Aktivität eines Zielgens unter bestimmten Bedingungen ändert, oder es können bestimmte Proteine markiert werden. „All das zusammen gibt uns jetzt erstmals die Möglichkeit, die Interaktion von HIV mit menschlichen, ruhenden CD4+ T-Zellen unter physiologischen Bedingungen zu untersuchen“, erklärt Adrian Ruhle, der gemeinsamer Erstautor der Studie ist. „Wir können diese Zellen jetzt aber auch über HIV hinaus in ihrer generellen Funktion als Immunzellen besser untersuchen.“ Langfristig hoffen die Forscher, aus einem besseren Verständnis der Biologie dieser Zellen heraus auch neue Ansätze für die vollständige Eliminierung der HI-Viren aus dem Körper der Patienten zu finden, da derzeit weltweit noch ca. 37 Millionen Menschen mit HIV infiziert sind.
Originalveröffentlichung
Manuel Albanese*, Adrian Ruhle*, Jennifer Mittermaier, Ernesto Mejías-Pérez, Madeleine Gapp, Andreas Linder, Niklas A. Schmacke, Katharina Hofmann, Alexandru A. Hennrich, David N. Levy, Andreas Humpe, Karl-Klaus Conzelmann, Veit Hornung, Oliver T. Fackler and Oliver T. Keppler; "Rapid, efficient and activation-neutral gene editing of polyclonal primary human resting CD4+ T cells allows complex functional analyses"; Nature Methods; 2021
Meistgelesene News
Originalveröffentlichung
Manuel Albanese*, Adrian Ruhle*, Jennifer Mittermaier, Ernesto Mejías-Pérez, Madeleine Gapp, Andreas Linder, Niklas A. Schmacke, Katharina Hofmann, Alexandru A. Hennrich, David N. Levy, Andreas Humpe, Karl-Klaus Conzelmann, Veit Hornung, Oliver T. Fackler and Oliver T. Keppler; "Rapid, efficient and activation-neutral gene editing of polyclonal primary human resting CD4+ T cells allows complex functional analyses"; Nature Methods; 2021
Organisationen
Weitere News aus dem Ressort Wissenschaft
Holen Sie sich die Analytik- und Labortechnik-Branche in Ihren Posteingang
Ab sofort nichts mehr verpassen: Unser Newsletter für Analytik und Labortechnik bringt Sie jeden Dienstag auf den neuesten Stand. Aktuelle Branchen-News, Produkt-Highlights und Innovationen - kompakt und verständlich in Ihrem Posteingang. Von uns recherchiert, damit Sie es nicht tun müssen.