Schnappschüsse aus der Quantenwelt
Forschungskooperation kann mit neuer Spektroskopie-Methode optisch bislang nicht unterscheidbare Spin-Zustände auslesen
Christoph Lambert / Julius-Maximilians-Universität of Würzburg (JMU)
Normalerweise besetzen Elektronen in einem Molekül die quantentheoretisch möglichen Bahnen paarweise. Dabei ist die Eigenschaft des Eigendrehimpulses der Elektronen, ihres sogenannten Spins, von entscheidender Bedeutung. Nach dem Pauli-Prinzip der Quantentheorie können zwei Elektronen nur dann auf der gleichen Bahn laufen, wenn ihr Spin antiparallel ist. Dreht sich das eine Elektron rechtsherum, muss sich das andere linksherum drehen. Im molekularen Grundzustand sind in der Regel alle Elektronenspins gepaart. Durch Lichtanregung wird ein einzelnes Elektron aus der Paarkonstellation gelöst und auf ein energetisch höheres Niveau gehoben, wo es allein eine freie Bahn besetzt. Von hier kann es dann weiter auf eine freie Bahn in einem geeigneten Nachbarmolekül überspringen.
Das Ergebnis stellt eine photo-induzierte Elektronübertragung dar. Die beiden vereinzelten Elektronen können nun durch magnetische Wechselwirkung mit ihrer Umgebung ihre Spin-Einstellung unabhängig voneinander verändern, da sie nicht mehr durch das Pauli-Prinzip eingeschränkt sind.
Die beiden verwaisten Elektronen bilden ein Radikalpaar
Eine solche Ladungstrennung durch photo-induzierte Elektronenübertragung findet beispielsweise auch bei der Photosynthese statt. Die Energie des übertragenen Elektrons nimmt bei diesem Schritt nur wenig ab, sodass der größte Teil der anfänglich durch die Lichtanregung aufgenommenen elektronischen Energie noch erhalten ist. Diese ursprüngliche Anregungsenergie ist somit in chemischer Form gespeichert. Der ladungsgetrennte Zustand mit den beiden verwaisten Elektronen wird in der Chemie auch als Radikalpaar bezeichnet.
Sind die Spins der beiden vereinzelten Elektronen parallel ausgerichtet, spricht man von einem Triplett-Zustand, sind sie antiparallel ausgerichtet, von einem Singulett-Zustand des Radikalpaares. Durch die freie individuelle Entwicklung der beiden Spins wechselt der Spin-Zustand des Radikalpaars zwischen Singulett- und Triplett-Zustand hin und her. Da energetisch zwischen diesen Spin-Ausrichtungen kein großer Unterschied besteht, waren sie bislang optisch nicht direkt unterscheidbar.
Eine Energiestabilisierung des Radikalpaars kann erfolgen, indem das Radikalelektron vom sogenannten Akzeptor-Molekül wieder zurückspringt zum sogenannten Donor-Molekül, und sich so unter Wärmefreisetzung der ursprüngliche Singulett-Zustand wieder zurückbildet. Damit es sich jedoch wieder mit dem ursprünglichen Partnerelektron paaren kann, muss sein Spin zu diesem entgegengesetzt geblieben sein, was durch eine zwischenzeitlich mögliche Spin-Umorientierung nicht unbedingt der Fall ist. Hat es aktuell eine andere Einstellung, kann es zwar nicht auf seine ursprüngliche Bahn zurück, aber durch Übergang in eine andere, noch freie tiefere Bahn ebenfalls Energie abgeben. Es bildet sich so ein Triplett-Produkt, das von dem Singulett-Produkt optisch unterschieden werden kann.
Radikalpaar als Modell für Qubits und den Magnetfeldsensor von Zugvögeln
Die Phase, in der die Radikalpaare zwischen den Singulett- und dem Triplett-Zustand hin- und herpendeln, ist in vielerlei Hinsicht von besonderem Interesse. Da es sich um eine quantenmechanisch gesteuerte kohärente Bewegung handelt, ist sie grundsätzlich, etwa durch ein äußeres Magnetfeld, kontrollierbar. Mit solchen Bewegungen werden beispielsweise in der Physik Quantenrechner realisiert. „Unser Radikalpaar kann als Modell für Qubits dienen, wie sie in Quantenrechnern als Elemente vorhanden sind, oder für das Verständnis der Funktion von Radikalpaaren in dem eingangs erwähnten biologischen Kompassmodell von Zugvögeln. Aus solchen Gründen ist es von Interesse zu wissen, wie der Spin in diesem Prozess gerade steht“, sagt Ulrich Steiner, der zu Photokinetik und Spin-Chemie forscht.
„Pump-Push-Puls“-Technik ermöglicht die Bestimmung von Singulett/Triplett-Einstellungen
Die Forschungskooperation hat mit der sogenannten „Pump-Push-Puls“-Technik ein Verfahren entwickelt, mit dem es zum ersten Mal möglich ist, die Singulett/Triplett-Einstellungen zu bestimmten Zeitpunkten auszulesen. Zunächst wird mit einem sogenannten Pump-Laser-Puls der Elektronentransfer vom Donor- zum Akzeptor-Molekül initiiert. Dabei entsteht der ladungsgetrennte Zustand mit Singulett-Spin. Die ungepaarten Elektronen-Spins können sich nun entwickeln. Nach einer gewissen Zeit wird ein zweiter Laser-Puls hinterhergeschickt.
„Durch diesen, sogenannten Push-Laser-Puls wird wieder ein Elektron vom Akzeptor zum Donor zurückübertragen, wobei der zweite Laserpuls das System zwingt, sofort die Entscheidung zwischen Triplet- oder Singulett-Produktbildung zu treffen, wofür sich das Radikalpaar normalerweise mehrere Spin-Oszillationsperioden Zeit lassen würde“, sagt Ulrich Steiner, der zusammen mit seinem russischen Kollegen die Interpretation der Experimente durch quantentheoretische Modellrechnungen belegt hat. Auf diese Weise lassen sich quasi Schnappschüsse des Spin-Zustandes des Radikalpaares zu verschiedenen Zeitpunkten aufnehmen.
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