Neutrinos sind leichter als 0,8 Elektronenvolt

KATRIN-Experiment mit neuem Weltrekord bei Präzisionsmessungen

16.02.2022 - Deutschland

Das internationale KArlsruhe TRItium Neutrino Experiment, kurz KATRIN, am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) hat die Neutrinomasse erstmals auf unter ein Elektronenvolt (eV) eingegrenzt und damit eine "Barriere" in der Neutrinophysik durchbrochen. Aus den aktuell in der Fachzeitschrift Nature Physics veröffentlichten Daten lässt sich eine Obergrenze von 0,8 eV(*) für die Masse des Neutrinos ableiten. Diese mit einer modell-unabhängigen Labormethode gewonnenen Ergebnisse ermöglichen es KATRIN, die Masse dieser "Leichtgewichte des Universums" mit bisher unerreichter Präzision einzugrenzen.

Markus Breig, KIT

Blick in das Innere des Hauptspektrometers des KATRIN-Experiments zur Bestimmung der Neutrinomasse

Neutrinos sind die wohl faszinierendsten Elementarteilchen in unserem Universum. In der Kosmologie spielen sie eine wichtige Rolle bei der Bildung von großräumigen Strukturen, und in der Welt der Teilchenphysik nehmen sie eine Sonderstellung ein durch ihre winzige Masse, die auf neue physikalische Prozesse jenseits unserer bisherigen Theorien hinweist. Ohne eine Messung der Neutrinomasse wird unser Verständnis des Universums unvollständig bleiben.

Hier setzt das internationale KATRIN-Experiment am KIT mit Partnern aus sechs Ländern als weltweit sensitivste Waage für Neutrinos an. Es benutzt den Beta-Zerfall von Tritium, einem instabilen Wasserstoff-Isotop, um aus der Energieverteilung der bei diesem Zerfall erzeugten Elektronen die Masse des Neutrinos zu bestimmen. Dazu ist ein enormer technischer Aufwand notwendig: Das 70 Meter lange Experiment beherbergt die weltweit intensivste Quelle von Tritium sowie ein riesiges Spektrometer, mit dem sich die Energien der Zerfallselektronen mit bisher unerreichter Präzision messen lassen. 

Die hohe Qualität der ersten Daten nach der Inbetriebnahme im Jahr 2019 konnte in den letzten beiden Jahren kontinuierlich gesteigert werden. "KATRIN als Experiment mit höchsten technologischen Anforderungen läuft nun wie ein perfektes Uhrwerk", freut sich Guido Drexlin vom KIT, der Projektleiter und einer der beiden Co-Sprecher des Experiments. Christian Weinheimer, Universität Münster, der andere Co-Sprecher, ergänzt: "Dabei waren die Reduktion der Störsignale und die Erhöhung der Signalrate entscheidend für das neue Resultat".

Akribische Datenanalyse: Erster Vorstoß in den Bereich unter einem Elektronenvolt 

Die Auswertung dieser Daten stellte das internationale Team um die beiden Analyse-Koordinatoren Susanne Mertens, Max-Planck-Institut für Physik (MPP) und Technische Universität München und Magnus Schlösser, KIT, vor große Herausforderungen: Jeder Einfluss auf die Neutrinomasse, so klein er auch sein mochte, musste detailliert untersucht werden. "Nur durch diese aufwändige und akribische Arbeit konnten wir eine systematische Beeinflussung unseres Resultats durch andere Effekte wirklich ausschließen. Wir sind ganz besonders stolz auf unser Analyseteam, das sich dieser Herausforderung mit großem Engagement erfolgreich gestellt hat", so Mertens und Schlösser. 

Die experimentellen Daten  des ersten Messjahres und die Modellierung auf Basis einer verschwindend kleinen Neutrinomasse passen perfekt: Daraus lässt sich eine neue Obergrenze für die Neutrinomasse von 0,8 Elektronenvolt (eV) bestimmen. Erstmals stößt so ein direktes Neutrinomassenexperiment in den kosmologisch und teilchenphysikalisch wichtigen Massenbereich unter einem Elektronenvolt vor, in dem die fundamentale Massenskala von Neutrinos vermutet wird. "Die Teilchenphysik-Gemeinschaft ist begeistert, dass die 1-eV-Barriere von KATRIN durchbrochen wurde" kommentiert Neutrinoexperte John Wilkerson, University of North Carolina, der Vorsitzende des KATRIN Executive Boards.

Susanne Mertens erläutert den Weg zum neuen Rekord: "Unser Team am MPP in München hat für KATRIN eine neue Analysemethode entwickelt, die speziell auf die Anforderungen dieser hochpräzisen Messung optimiert ist. Diese Strategie wurde erfolgreich für die vergangenen und aktuellen Ergebnisse eingesetzt. Meine Gruppe ist hochmotiviert: Wir werden uns auch den künftigen Herausforderungen der KATRIN-Analyse mit neuen kreativen Ideen und akribischer Genauigkeit stellen."

Weitere Messungen sollen Empfindlichkeit verbessern 

Die Co-Sprecher und Analyse-Koordinatoren von KATRIN beschreiben die kommenden Ziele: "Die weiteren Messungen zur Neutrinomasse werden noch bis Ende 2024 andauern. Um das volle Potential dieses einzigartigen Experiments auszuschöpfen, werden wir nicht nur die Statistik der Signalereignisse kontinuierlich erhöhen; wir entwickeln und installieren fortwährend Verbesserungen zur weiteren Absenkung der Störereignisrate". 

Dabei spielt die Entwicklung des neuen Detektorsystems TRISTAN, mit dem sich KATRIN ab 2025 auf die Suche nach „sterilen“ Neutrinos im Kiloelektronvolt-Massenbereich begeben soll, eine besondere Rolle. Solche sterilen Neutrinos wären Kandidaten für die mysteriöse Dunkle Materie, die sich schon in vielen astrophysikalischen und kosmologischen Beobachtungen manifestiert hat, deren teilchenphysikalische Natur aber noch immer unbekannt ist.

(*) 1 Elektronenvolt entspricht der unvorstellbar geringen Masse von ca. 1,8 x 10-36 Kilogramm

Originalveröffentlichung

Weitere News aus dem Ressort Wissenschaft

Diese Produkte könnten Sie interessieren

PlasmaQuant 9100

PlasmaQuant 9100 von Analytik Jena

Neues ICP-OES PlasmaQuant 9100 für komplexe Probenmatrices

Mehr sehen. Mehr wissen. ICP-OES vereinfacht Analyse matrixlastiger Proben

ICP-OES-Spektrometer
ZEEnit

ZEEnit von Analytik Jena

Zeeman-Technik mit maximaler Empfindlichkeit und Applikationsvielfalt

Quergeheizte Graphitrohrofen für optimale Atomisierungsbedingungen und hohen Probendurchsatz

AAS-Spektrometer
PlasmaQuant MS Elite

PlasmaQuant MS Elite von Analytik Jena

Massenspektrometer für hochempfindliche Forschungsanwendungen und niedrigste Nachweisgrenzen

Die Erfolgsformel in der LC-ICP-MS – PlasmaQuant MS-Serie und PQ LC

Mikrospektrometer

Mikrospektrometer von Hamamatsu Photonics

Ultrakompaktes Mikrospektrometer für vielseitige Anwendungen

Präzise Raman-, UV/VIS- und NIR-Messungen in tragbaren Geräten

Mikrospektrometer
INVENIO

INVENIO von Bruker

FT-IR Spektrometer der Zukunft: INVENIO

Völlig frei aufrüstbares und konfigurierbares FT-IR Spektrometer

FT-IR-Spektrometer
contrAA 800

contrAA 800 von Analytik Jena

contrAA 800 Serie – Atomic Absorption. Redefined

Kombiniert das Beste der klassischen Atomabsorption mit den Vorteilen von ICP-OES-Spektrometern

ICP-OES-Spektrometer
novAA®  800

novAA® 800 von Analytik Jena

Der Analysator für Sie - novAA 800-Serie

Das zuverlässige Multitalent für die effiziente und kostengünstige Routineanalyse

SPECORD PLUS

SPECORD PLUS von Analytik Jena

Die neue Generation der Zweistrahlphotometer von Analytik Jena

Der moderne Klassiker garantiert höchste Qualität

Quantaurus-QY

Quantaurus-QY von Hamamatsu Photonics

Hochgeschwindigkeits-UV/NIR-Photolumineszenz-Spektrometer

Präzise Quantenausbeute-Messungen in Millisekunden ohne Referenzstandards

Fluoreszenzspektrometer
FastTrack™

FastTrack™ von Mettler-Toledo

FastTrack UV/VIS-Spektroskopie - beschleunigen Sie Ihre Messungen

Schnelle, zuverlässige & effiziente Messungen mit rückführbarer Genauigkeit bei geringem Platzbedarf

UV/VIS-Spektralphotometer
fluidlab R-300 | Cell Counter & Spectrometer

fluidlab R-300 | Cell Counter & Spectrometer von anvajo

fluidlab R-300 | Zellzähler & Spektrometer

Das erste portable Laborgerät, das Zellzählung und Spektrometrie kombiniert

Zellanalysatoren
Loading...

Meistgelesene News

Weitere News von unseren anderen Portalen

Unter die Lupe genommen: Die Welt der Mikroskopie