Poröse Medien transparent gemacht

Porous Media Lab der Universität Stuttgart ermöglicht skalenübergreifende Charakterisierung von gekoppelten Prozessen in porösen Materialien

10.06.2022 - Deutschland

Ob 3D-Bilder aus dem Inneren eines Betonbrockens oder Verhalten von Öl-Wasser-Gemischen im Untergrund: Röntgentomographische und mikrofluidische Verfahren sind wichtige Pfeiler, um die unsichtbaren Strömungs- und Transportprozesse sowie das Deformationsverhalten in porösen Medien sichtbar zu machen und zu verstehen. Das Porous Media Lab (PML) an der Universität Stuttgart, das jetzt einen gebündelten Standort auf dem Campus Vaihingen gefunden hat, bietet hierfür eine umfassende Plattform. Als „Shared Lab“ steht es auch nationalen und internationalen Gastwissenschaftler*innen zur Verfügung.

Uli Regenscheit, Universität Stuttgart

Untersuchung des Strömungsfeldes in einer Mikrofluidik-Zelle mittels nicht sichtbarer Mikropartikeln. Der grüne Punkt zeigt den Strahl des doppelt gepulsten YAG-Lasers.

Ein Kernstück des PML ist ein selbstentwickelter Röntgentomograph, das XRCT Lab. Es erzeugt 3D-Abbildungen aus nicht transparenten Materialien und ermöglicht Forschenden hochauflösende Einblicke in Phänomene auf der Porenskala. Das Besondere daran: Das XRCT_Lab kombiniert die Bildgebung mit physikalischen Experimenten und kann so sichtbar machen, wie sich zum Beispiel der Druck, der Durchfluss von Flüssigkeiten oder die Temperaturschwankungen in einem Material auf der Porenebene auf effektive Materialeigenschaften auswirken.

Das zweite Kernstück des PML ist das Microfluidic Lab, in dem synthetische poröse Materialien erzeugt werden können. Hierzu wird mit opto-lithografischen Verfahren eine Art Negativ erzeugt, das im nächsten Schritt mit einem weichen Polymer (PDMS) ausgegossen wird. Dabei entsteht ein zweidimensionales poröses Medium, das transparent ist und unter dem Mikroskop untersucht werden kann. Auf diese Weise kann man beispielsweise sichtbar machen, wie sich Mehrphasenfluide, wie etwa eine Öl-Wasser-Mischung, in einem porösen Medium verhalten – Erkenntnisse, die unter anderem in der Tiefen-Geothermie oder auch bei Brennstoffzellen potenzielle Anwendungen finden könnten.

Darüber hinaus umfasst das PML auch ein Specimen Preparation Lab, das Geräte und Methoden zur Vorbereitung von Gesteinsproben und zur Herstellung von Polymerproben (mit verschiedenen 3D-Drucktechniken oder laborgestütztem Spritzguss) bereitstellt. Für die Beobachtung des makroskopischen Materialverhaltens größerer Proben mit wenigen Zentimetern Durchmesser gibt es sowohl im Granular Media Lab, als auch im Rock Physics Lab verschiedene Nieder- und Hochdruckzellen zur Charakterisierung des spannungsabhängigen Materialverhaltens von Gesteins- und Bodenproben. Das Rheology Lab schließlich ermöglicht Wissenschaftler*innen die mechanische Charakterisierung weicher Materialien wie (multi-)funktionaler Polymere für Aktuatoranwendungen, die zum Beispiel in der „Soft Robotic“ gebraucht werden.

Schlüssel für datengetriebene Simulationsmodelle

Das Verständnis komplexer physikalischer, zum Teil auch zeitabhängiger Prozesse auf der Porenskala ist der Schlüssel zur Entwicklung von weiteren datengetriebenen Simulationsmodellen. Das PML ist auch eine zentrale experimentelle Plattform, sowohl für das Exzellenzcluster „Daten-integrierte Simulationswissenschaft“ (EXC 2075, SimTech), als auch für den Sonderforschungsbereich „Grenzflächen-getriebene Mehrfeldprozesse in porösen Medien. Strömung, Transport und Deformation“ (SFB 1313) an der Universität Stuttgart. Im SFB 1313, der im Mai 2022 mit einer Kick-off-Veranstaltung in die zweite Förderphase startete, arbeiten rund 60 Forscher*innen aus neun Instituten der Universität Stuttgart und aus rund 35 Partnereinrichtungen an dem übergreifenden Ziel, ein grundlegendes Verständnis der in porösen Medien ablaufenden Prozesse zu erlangen.

Fruchtbar für Forschungskooperationen

Auch Forschende anderer Institute der Universität Stuttgart sowie Gastwissenschaftler*innen aus dem In- und Ausland nutzen das PML für ihre Forschung. „Das noch sehr junge PML konnte sich als ein „Shared Lab“ bereits sehr erfolgreich etablieren, und wir können die experimentellen Charakterisierungsmethoden permanent weiter ausbauen“, freut sich Prof. Holger Steeb, Forschungsleiter im SFB 1313 sowie Direktoriumsmitglied im Exzellenzcluster SimTech. „Es ist beeindruckend, wie das PML herausragende lokale, nationale und internationale Forschungskooperationen befruchtet.“

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