Beton in großer Dimension durchleuchten

An der TUK entsteht weltweit einzigartige Computertomographie-Anlage

27.07.2022 - Deutschland

Beton ist der meistgenutzte Baustoff. Sein Tragverhalten zu verstehen, erlaubt den effizienten Einsatz. Hierzu müssen Forschende in Betonelemente schauen, Rissstrukturen und Schädigungen analysieren. Dies übernimmt künftig eine einzigartige Computertomographie-Anlage an der Technischen Universität Kaiserslautern (TUK). Mit „Gulliver“ ist es erstmals möglich, Bauelemente in realen Abmessungen unter Last zu durchleuchten und praxisnahe Ergebnisse zu erhalten. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert die Anlage mit rund acht Mio. Euro aus ihrem Programm „Großgeräteinitiative“. Der Landesbetrieb Liegenschafts- und Baubetreuung (LBB), Niederlassung Kaiserslautern, steuert den Bau der Halle für die CT-Anlage.

Die bildgebende Technik, die in der Anlage zum Einsatz kommen wird, ist aus der Medizin bekannt. Mit einem Computertomographen lassen sich mittels einer rotierenden Röntgenröhre zerstörungsfrei Schnittbilder von Objekten aufnehmen. Zusammengesetzt entstehen 3D-Aufnahmen mit einer hohen Detailtiefe. Dies verbessert bzw. erschließt die Analyse von innen-liegenden Strukturen.

An der TUK wollen die Forschenden in erster Linie Stahlbeton bzw. bewehrten Beton mittels CT-Technologie durchleuchten. Beim Stahlbeton nehmen innenliegende Bewehrungsstäbe die Zugkräfte auf, die Beton nicht schadensfrei aushalten kann. Im Bauteil bilden sich unter Belastung Risse, die das Tragverhalten und letztlich auch die Tragfähigkeit beeinflussen. Diese gilt es sichtbar zu machen. „Bislang ist es nur möglich, Betonproben mit Abmessungen von wenigen Zentimetern mittels CT-Technologie zerstörungsfrei zu untersuchen. Dabei blieb stets die Frage offen, in welchem Umfang sich die Ergebnisse auf realistische Bauteilgrößen übertragen lassen“, erläutert Projektleiter Prof. Dr.-Ing. Matthias Pahn. Der Bauingenieur ergänzt: „Die neue CT-Anlage ermöglicht erstmals eine umfassende Bauteilanalytik: Zum einen lassen sich damit Risse von 0,1 mm Größe in Betonteilen bis 30 cm Durchmesser und bis 6 m Länge analysieren. Zum anderen kann das Großgerät dabei auch statische und dynamische Lasten, wie sie in der Praxis üblich sind, auf die Bauteile wirken lassen.“

„Nachhaltiges Bauen ist eines der wichtigen Zukunftsthemen, zu dem wir mit unserer Expertise bereits in verschiedensten Forschungsvorhaben beitragen“, sagt Prof. Dr. Werner R. Thiel, TUK-Vizepräsident für Forschung und Technologie. „Mit der neuen Computertomographie-Anlage stoßen wir nun in neue Dimensionen vor und verstärken die Grundlagenforschung mit einem Großgerät, das den Weg zum effizienteren Einsatz von Baumaterialien ebnet. Zudem werden auch weitere Fachdisziplinen von dieser einmaligen Forschungsinfrastruktur profitieren. Für uns ist es eine bedeutende Auszeichnung, dass die CT-Anlage auf dem Campus der TUK stehen wird. Dies unterstreicht, dass wir in der Bauforschung weithin sichtbar und anerkannt sind.“

Das Schiebetor aus Spezialbeton ist so ausgelegt, dass Lkw mit Untersuchungsmaterial ein Stück weit in die strahlensichere Forschungshalle einfahren können.

Maßgefertigte Hülle für die CT-Anlage

Das Gebäude für Gulliver an der TU Kaiserslautern (TUK) ist eine Strahlenschutzhalle aus bis zu zwei Meter dickem Stahlbeton, teilweise aus besonders dichtem Schwerbeton. Sie wurde gegenüber den bestehenden Versuchshallen des Fachbereichs Bauingenieurwesen direkt an eine der Versuchshallen für Maschinenbau und Verfahrenstechnik (Gebäude 64) angebaut. Als Halle Nr. 66 vervollständigt sie die Gruppe der 60er-Versuchshallen an der Gottlieb-Daimler-Straße.

Gesteuert wird der Neubau von der Niederlassung Kaiserslautern des Landesbetriebs Liegenschafts- und Baubetreuung (Landesbetrieb LBB), die dafür einen Generalunternehmer beauftragt hat. Baubeginn war im August 2021, die Fertigstellung der Halle mit Nebengebäuden ist für Oktober 2022 vorgesehen. Die Übergabe an den Nutzer erfolgt nach Einbau der CT-Anlage im Juni 2023. Für die Errichtung der baulichen Hülle für den Computertomograph mit Baukosten von rd. 7,14 Mio. Euro stellt die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) über die TUK 1,99 Mio. Euro zur Verfügung.

„Es war zielführend, die Großcomputertomographen-Halle von der Ausführungsplanung bis zur baulichen Realisierung in die Hand eines Generalunternehmers zu legen“, sagt der Geschäftsführer des Landesbetriebs Liegenschafts- und Baubetreuung, Holger Basten. „Das öffentliche Vergabeverfahren auf der Grundlage einer so genannten funktionalen Ausschreibung, die vorab nicht das letzte technische Detail festlegt, bietet bei komplexen Bauprojekten das Potenzial zur Beschleunigung und Optimierung. Der Aufwand für den öffentlichen Auftraggeber kann damit minimiert, auf unerwartete Herausforderungen für den Bauablauf kann flexibler reagiert werden. Den Beteiligten ist es bei diesem Projekt gelungen, ein anspruchsvolles Spezialgebäude für wegweisende Forschungen im Bauingenieurwesen erfolgreich bereit zu stellen – ein gutes Beispiel auch für zukünftige beschleunigte Verfahren bei dafür geeigneten Projekten im Hochschulbau.“

Die Strahlenschutzhalle ist mit ihrem fast quadratischen Grundriss von 12,3 mal 12,0 Meter und einer lichten Höhe von neun Meter dem Großgerät auf den Leib geschneidert. Das Strahlenschutz-Schiebetor, eine Verbundkonstruktion aus Stahlkäfig gefüllt mit Schwerbeton, misst 4,5 Meter im Quadrat. So können Lkw mit den großformatigen Prüfkörpern ein Stück weit in die Halle einfahren.

Zur Positionierung der künftigen Versuchsobjekte wurden an den Hallenwänden zwei Kranbahnen mit einer Tragkraft von jeweils 12,5 Tonnen installiert, die als erstes für die Montage des Computertomographen (Gantry) zum Einsatz kommen. Das Großgerät wird im Werk vormontiert, wieder zerlegt und die verschiedenen Bauteile mit einem Gewicht von bis zu 25 Tonnen mit dem Lkw in die Halle und dem Hallenkran in Montageposition gebracht.

Der Computertomograph bewegt sich im Versuch horizontal über Bodenschienen bis zu drei Meter und rotiert dabei in einem Winkel bis zu 210 Grad um das Objekt. An den Grubenwänden und auf dem Grubenboden befinden sich Verankerungsschienen zur Montage des CT. Zur Positionierung des Versuchsobjektes gibt es zwei bewegliche Arbeitsbühnen, die mit dem CT fahren.

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