Ein neues Mikroskop beleuchtet die Funktionsweise von Nervenzellen tief im Gehirn
Das neue Miniatur-Mikroskop ist ein Meilenstein für die Erforschung, wie das Gehirn komplexes Verhalten steuert
Julia Kuhl
Wie genau entsteht eigentlich Verhalten? Um dies wirklich herauszufinden, müssen wir Tiere untersuchen, die sich frei bewegen und selbst entscheiden, wie sie mit ihrer Umwelt interagieren. Mittels kleiner, kopfgetragener Apparaturen gelingt es, die Gehirnaktivität aufzuzeichnen, ohne dabei das Verhalten des Tieres zu beeinträchtigen. „Wir wollen herausfinden, wie Tiere ihren Sehsinn nutzen, um Entscheidungen zu treffen. Viele der Nervenzellen, die vermutlich in diese Prozesse involviert sind, liegen tief im sogenannten visuellen Cortex, einem Teil der Großhirnrinde. Um diese Nervenzellen zu erreichen, haben wir ein extrem leichtes, kopfgetragenes Mikroskop entwickelt. Mit diesem gelingt es uns, die Aktivität der betreffenden Nervenzellen zu messen, ohne das Tier dabei in seinem Verhalten zu stören. Dies ist ein enormer Schritt, um die Gehirnaktivität tief in der Großhirnrinde zu analysieren, während das Tier natürliches, visuell gesteuertes Verhalten zeigt.“ sagt Prof. Dr. Jason Kerr, Leiter der Abteilung Organisation des Gehirns und Verhaltens.
In der am 28. November im Fachjournal Nature Methods veröffentlichten Studie präsentieren die Forschenden ihr neues Drei-Photonen-Miniaturmikroskop, welches eine Reihe von Innovationen bietet. Erstmalig ist es nun möglich, neuronale Aktivität in Einzelzellauflösung in allen Schichten der Großhirnrinde zu erfassen. Da das Fokussieren ferngesteuert erfolgt, wird das Tier während der Messungen nicht in seinem Verhalten beeinträchtigt. Das modulare Design des Mikroskops bietet zudem eine Einstellung für funktionelle, hochaufgelöste Bildgebung von neuronalen Zellkörpern bis hin zu den Ausläufern, den Dendriten. Aufgrund eines modifizierten Detektorsystems kann das Mikroskop auch in beleuchteter Umgebung verwendet werden. „Wir können die Gehirnaktivität nun auch in einer hell erleuchteten Versuchsarena messen. So kann das Tier all seine Sinne nutzen und wir können visuell gesteuertes Verhalten wie Beutefang oder Fluchtverhalten untersuchen“ sagt Alexandr Klioutchnikov, Erstautor der Studie.
Um Messbereich und Stabilität des neuen Drei-Photonen-Miniaturmikroskops zu prüfen, haben die Forschenden Messungen in den tiefen Schichten 4 und 6 der Großhirnrinde durchgeführt, während die Versuchstiere ihre Arena frei erkundeten. Das Forscherteam konnte zeigen, dass die Nervenzellen in beiden Schichten unterschiedlich moduliert werden, je nachdem wie hell oder dunkel die Umgebung war.
Ein weiterer Vorteil des neuen Mikroskops ist, dass es einfach entfernt und wieder an exakt der gleichen Stelle aufgesetzt werden kann. Dadurch ist es möglich, genau dieselben Gruppen von Nervenzellen erneut zu untersuchen, auch mit mehreren Tagen Abstand zwischen den Messungen. Dies eröffnet die Möglichkeit, Veränderungen in der Gehirnaktivität zu analysieren, beispielsweise wenn ein Tier lernt.
Originalveröffentlichung
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