Auf die Faltung kommt es an: Neue Schwachstelle bei HIV entdeckt

Forschende am Helmholtz-Institut Würzburg finden mögliche neue antivirale Angriffspunkte bei HIV-1

05.05.2023 - Deutschland

Ribonukleinsäure (RNA) faltet sich zu komplexen Strukturen, die es ihr ermöglichen, mit anderen Molekülen in der Zelle zu interagieren. Kleinste Unterschiede in der Faltung können bei HIV-1 entscheidend dafür sein, ob virale RNA „verpackt“ wird und sich die Viren somit vermehren können. Dies haben jetzt Forschende am Helmholtz-Institut Würzburg herausgefunden, indem sie eine auf RNA-Strukturen fokussierte Methode mittels neuer Sequenzierungstechnologie weiterentwickelt haben. Ihre Erkenntnisse könnten dazu beitragen, neue antivirale Mittel zu entwickeln, und wurden im Fachmagazin Nature Methods veröffentlicht.

HIRI/Luisa Macharowsky

Anne-Sophie Gribling-Burrer, Redmond Smyth, Patrick Bohn und Uddhav Ambi (v.l.n.r.) haben eine neue Schwachstelle bei HIV entdeckt.

HI-Viren (HIV) sind weltweit für Millionen von Infektionen verantwortlich. Die Erreger verursachen die Immunschwächekrankheit AIDS, die seit Ausbruch der HIV-Pandemie in den 1980er Jahren zu beinahe 40 Millionen Todesfällen geführt hat. Seit Dekaden forschen Wissenschaftler:innen an möglichen antiviralen Therapien, und inzwischen stehen den Infizierten auch wirksame Virostatika zur Verfügung. Allerdings hat erst die Kombination mehrerer, auf unterschiedliche Angriffspunkte gerichtete Medikamente die HIV-Therapie revolutioniert, und es werden laufend neue Arzneien benötigt, um Resistenzen zu überwinden.

„In unserer Studie stellen wir ein mögliches neues antivirales Ziel vor, mit dessen Hilfe wir HIV und anderen potenziell zoonotischen Retroviren einen weiteren Schritt voraus sein können“, sagt Redmond Smyth. Smyth ist Gruppenleiter am Helmholtz-Institut für RNA-basierte Infektionsforschung (HIRI) in Würzburg, einem Standort des Braunschweiger Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) in Kooperation mit der Julius-Maximilians-Universität (JMU) Würzburg, und hat die aktuelle Studie geleitet.

„Unsere neue Methode kann die strukturellen Variationen zwischen sehr ähnlichen RNAs unterscheiden – insbesondere auch solche, die durch Spleißen entstanden sind“, erklärt Patrick Bohn, Doktorand in der Forschungsgruppe von Smyth. Der Wissenschaftler ist einer der beiden Erstautor:innen der Studie, die im Fachmagazin Nature Methods erschienen ist.

Spleißen ist ein biologischer Prozess, der gewissermaßen den in der Vorform einer Boten-RNA enthaltenen genetischen Bauplan einer Zelle präzisiert, damit dieser anschließend in neue Proteine übersetzt werden kann. „In höheren Organismen sorgt Spleißen für Proteinvielfalt, aber unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass es auch zur biologischen Funktion beitragen kann, indem es die RNA-Struktur verändert“, erklärt Patrick Bohn.

Sehr ähnlich und doch anders

Möglich wurde diese Erkenntnis durch die Verbesserung einer Technologie, mit der gemessen werden kann, wie RNA in der Zelle gefaltet ist. Viele Forschende haben bereits versucht, die Strukturen von gespleißter und ungespleißter HIV-1-RNA zu untersuchen, allerdings wurde dies meist im Reagenzglas (in vitro) durchgeführt. Während Letzteres nur kurze Sequenzierungsabschnitte erzeugt, haben die Wissenschaftler:innen am HIRI ihre neue Methode angewandt, um zu untersuchen, wie das HIV-1-Virus seine RNA in voller Länge für die Verpackung in virale Partikel auswählt.

„Wir haben herausgefunden, dass sich gespleißte RNA in ihrem natürlichen zellulären Kontext anders faltet als im Reagenzglas – eine Entdeckung, die zeigt, wie wichtig es ist, biologische Prozesse sowohl in einer reduzierten Versuchsanordnung (in vitro) als auch in ihrer komplexen nativen Umgebung zu untersuchen“, sagt Anne-Sophie Gribling-Burrer, Postdoc in der Forschungsgruppe von Smyth und Co-Erstautorin. In der Folge zeigte sich, warum gespleißte Versionen der HIV-1-RNA nicht verpackt wurden. „Gespleißte RNAs besitzen nicht sämtliche Strukturen, die für die virale Verpackung erforderlich sind. Die Veränderung ihrer Struktur stellt also einen Mechanismus der Verpackungsselektivität dar und nimmt damit Einfluss auf die Vermehrung der Viren“, erklärt Anne-Sophie Gribling-Burrer.

„Das Verständnis dieses Mechanismus ist ein wichtiger Schritt bei der Entwicklung neuer antiviraler Mittel gegen ein breites Spektrum an Retroviren“, sagt Redmond Smyth. Darüber hinaus erhoffen sich die Wissenschaftler:innen, dass ihre Methode in Zukunft für zahlreiche Molekularbiologen in ganz unterschiedlichen Bereichen nützlich sein kann.

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