Die dunkle Seite der Röntgenmikroskopie

Forscher entwickeln erstmals Technik, um Streulicht für die Röntgenbildgebung im Nanometerbereich nutzbar zu machen

20.06.2024

Röntgenmikroskope sind für die Untersuchung von Bauteilen und Werkstoffen essenziell, weil sich damit winzige Veränderungen und Details im Material entdecken lassen. Bislang war es aber schwierig, Risse oder kleinste Einschlüsse in den Bildern zu erkennen. Durch die Entwicklung einer neuen Methode können Forschende vom Helmholtz-Zentrum Hereon jetzt solche Veränderungen in der Nanometerdimension sichtbar machen. Davon profitieren unter anderem die Materialforschung und die Qualitätssicherung.

Hereon/ Sami Wirtensohn

3D Darstellung der Goldstruktur basierend auf den Dunkelfeldbildern (links) und den Abschwächungsbildern (rechts). Mit Hilfe der Dunkelfeldbilder lassen sich leicht Unregelmäßigkeiten in der inneren Struktur erkennen (markiert mit orangenen Pfeilen), die sonst verborgen bleiben.

Die Qualität muss stimmen. Das gilt auch für die Materialwissenschaften. Wenn Metallteile zusammengeschweißt werden, dann muss man wissen, ob die Schweißnaht etwas taugt – oder ob sich im Inneren kleine Risse oder Poren gebildet haben, die zu Schäden führen können. Hochleistungsmaterialen für die Elektroden von Elektroauto-Batterien oder für Brennstoffzellen wiederum müssen perfekte Feinstrukturen aufweisen, damit der Strom ungestört fließt.

Um die Auswirkung von Veränderungen in Materialien besser zu verstehen und eventuelle Fehler aufzuspüren, wird Röntgenlicht schon länger verwendet, um Werkstoffe zu untersuchen. Bei herkömmlichen Röntgenbildern werden Strukturen durch die Abschwächung von Röntgenstrahlen sichtbar gemacht. Dies reicht jedoch oft nicht aus, um sehr kleine oder wenig dichte Strukturen zu erkennen.

Die Lösung liegt in der Streuung

Den Hereon-Forschenden Sami Wirtensohn und Dr. Silja Flenner aus der Gruppe von Dr. Imke Greving, ist es jetzt gelungen, solche kleinen Strukturen im Nanometerbreich mit einer neuen Methode sichtbar zu machen. Anders als bei einem gewöhnlichen Röntgenbild nutzen sie nicht das abgeschwächte Licht selbst, sondern das von dem durchleuchteten Gegenstand gestreute Licht, das in verschiedene Richtungen abgelenkt wird. „Strukturen von Nanometerdimension wie zum Beispiel winzige Risse streuen das Licht – und diese Streuung kann man sehen“, erläutert Sami Wirtensohn, Erstautor der Studie. So werden Details und Strukturen sichtbar, die normalerweise nicht oder nur schwer zu erkennen sind. Das Besondere: „Mit der Technik werden jetzt sogar Strukturen unterhalb des Auflösungsvermögens des Röntgenmikroskops sichtbar" erläutert Silja Flenner, Initiatorin des Projektes.

Die Herausforderung bei dem neuen Ansatz bestand darin, dass die Forschenden das abgeschwächte Licht des Gegenstands gewissermaßen unterdrücken mussten, damit das Streuungsbild überhaupt sichtbar wird. In der Röntgenmikroskopie nutzen sie daher Optiken, die das Röntgenlicht so verändern, dass die Strahlen in einem bekannten Muster verlaufen. Mit dem Einbau einer Blende können diese Röntgenlichtstrahlen dann blockiert werden. Das Streulicht dagegen ändert beim Durchdringen der Probe seine Richtung und kann daher die Blenden passieren. Hieraus ergibt sich das sogenannte Dunkelfeld Bild, erstmals mit Nanometer Auflösung. „Damit erhalten wir jetzt eine Aufnahme, in der die Nanostrukturen durch die Streuung sehr gut sichtbar werden“, sagt Sami Wirtensohn.

Geringer Aufwand, große Wirkung

Für die Materialforschung ist das ein Gewinn mit geringem Aufwand. „Erstmals steht nun eine praxistaugliche Methode für Dunkelfeld Bildgebung zur Verfügung, da sie einfach im Röntgenmikroskop umzusetzen ist“, sagt Imke Greving, Leiterin des Teams der Röntgenmikroskopie an der Hereon-Bildgebungsstrahllinie P05 am Deutschen Elektronen Synchrotron (DESY). Derartige Röntgenmikroskope werden an großen Synchrotron-Anlagen, sogenannten Teilchenbeschleunigern betrieben, von denen es weltweit nur einige Dutzend gibt. Diese könnten nun einfach mit einer Blende nachgerüstet werden, um Dunkelfeld Mikroskopie zu ermöglichen. Das würde sich lohnen, weil Firmen oder Materialforscher damit künftig sehr viel besser nach winzigen Defekten und Fehlstellen in Materialien suchen könnten. Das Team um Sami Wirtensohn hat über ihre Neuentwicklung jetzt im Fachmagazin Optica berichtet.

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