ONE-Mikroskopie statt teurer Mikroskope: Mit dem Lichtmikroskop vom Molekül zur 3D-Struktur
Das einfache und kostengünstige Verfahren wurde mit ein paar einfachen, aber effektiven Tricks entwickelt
Forschende der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) haben ein neues Verfahren entwickelt, das es erstmals erlaubt, die dreidimensionale Form von Proteinen mit einem herkömmlichen Mikroskop abzubilden. Die mit Künstlicher Intelligenz kombinierte One-step Nanoscale Expansion (ONE)-Mikroskopie ermöglicht die Erkennung von Strukturveränderungen geschädigter oder toxischer Proteine in menschlichen Proben. Erkrankungen wie Morbus Parkinson, die auf Proteinfehlfaltungen beruhen, könnten somit frühzeitig erkannt und behandelt werden. Die ONE-Mikroskopie wurde von der Fachzeitschrift Nature als eine der „sieben Technologien, die man 2024 im Auge behalten sollte“ bezeichnet, und kürzlich in der Fachzeitschrift Nature Biotechnology veröffentlicht.

Die Erfinder, Gruppenleiter Dr. Ali H. Shaib (links) und Prof. Dr. Silvio O. Rizzoli, Direktor des Instituts für Neuro- und Sinnesphysiologie der Universitätsmedizin Göttingen (UMG).
A. Shaib
Die Fluoreszenz-Bildgebung ist eines der vielseitigsten und am weitesten verbreiteten Instrumente in der Biologie, um biologische Prozesse in lebenden Zellen zu beobachten. Trotz der Fortschritte in der Technik und der Verbesserung der Auflösung bleibt die Darstellung einzelner Moleküle und die Organisation molekularer Komplexe mittels Fluoreszenzmikroskopie eine Herausforderung. Dies war bisher ausschließlich mit teuren strukturbiologischen Methoden, wie der Elektronenmikroskopie (EM) und insbesondere der Kryo-EM möglich, bei der die Proben mit einem sehr starken Elektronenstrahl bei extrem niedriger Temperatur abgebildet werden.
Ein Forschungsteam unter der Leitung von Prof. Dr. Silvio O. Rizzoli, Direktor der Instituts für Neuro- und Sinnesphysiologie der Universitätsmedizin Göttingen (UMG), Sprecher des Center for Biostructural Imaging of Neurodegeneration (BIN) sowie Mitglied des Exzellenzclusters „Multiscale Bioimaging: von molekularen Maschinen zu Netzwerken erregbarer Zellen“ (MBExC), und Dr. Ali Shaib, Gruppenleiter im Institut für Neuro- und Sinnesphysiologie der UMG, hat nun mit ein paar einfachen, aber effektiven Tricks eine Methode entwickelt, um einzelne Moleküle mit herkömmlicher Lichtmikroskopie detailgenau darzustellen. Statt teure, hochauflösende Mikroskope einzusetzen, um die Auflösung zu verbessern, entwickelten sie die Einstufige Nanoskalen-Expansions (One-step Nanoscale Expansion; ONE)-Mikroskopie. Bei diesem Verfahren wird das Volumen der Probe vergrößert, indem die Zellen und die darin enthaltenen Strukturen auf ein wasserabsorbierendes Gel gebunden werden, welches in die Zellen eindringt. Durch die Aufnahme von Wasser vergrößert sich das Gel bis auf das 15-fache seines Volumens. Die Moleküle in der Probe bewegen sich dadurch gleichmäßig auseinander und werden ebenfalls größer, so dass sie nach gezielter Markierung mit fluoreszierenden Molekülen mit einem Lichtmikroskop abgebildet werden können. Kombiniert mit einem auf Künstlicher Intelligenz basierenden Verfahren zur Auswertung der Fluoreszenzveränderungen, gelang den Wissenschaftler*innen erstmals, was bisher nur mit der hochauflösenden Kryo-Elektronenmikroskopie und Röntgentechnologie möglich war: „Wir sind jetzt in der Lage, 3D-Proteinstrukturen aus zweidimensionalen Fluoreszenzbildern zu rekonstruieren,“ so Prof. Rizzoli. Dies bietet eine noch nie dagewesene Möglichkeit, feine strukturelle Details einzelner Proteine sowie von Multiproteinkomplexen in Zellen oder auch isoliert direkt darzustellen. Auch Veränderungen in der räumlichen Struktur von Proteinen sind mit der ONE-Mikroskopie leicht aufzudecken. In einer Kooperation mit Kolleg*innen aus Göttingen und Kassel konnten molekulare Proteinaggregate, die typisch für die Parkinson-Erkrankung sind, in Hirnwasser-Proben von Patient*innen abgebildet und klassifiziert werden. Das ist vielversprechend für eine verbesserte Früherkennung der Parkinson-Erkrankung, von der weltweit Millionen Menschen betroffen sind.
Die ONE-Mikroskopie ist ein einfaches und kostengünstiges Verfahren, das in jedem Labor mit einem herkömmlichen Mikroskop durchgeführt werden kann und ein Auflösungsniveau im Bereich von zirka ein Nanometer erreicht. Das ist etwa 100.000 Mal kleiner als der Durchmesser eines menschlichen Haares. Die benötigte Software stellen die Autoren als kostenloses Open-Source-Paket zur Verfügung. Das neu entwickelte Verfahren wurde jetzt in der Fachzeitschrift Nature Biotechnology veröffentlicht. Aufgrund des hohen Potentials hat Nature die ONE-Mikroskopie in die Liste der „sieben Technologien, die man 2024 im Auge behalten sollte“ aufgenommen.
Originalveröffentlichung
Ali H. Shaib, Abed Alrahman Chouaib, Rajdeep Chowdhury, Jonas Altendorf, Daniel Mihaylov, Chi Zhang, Donatus Krah, Vanessa Imani, Russell K. W. Spencer, Svilen Veselinov Georgiev, Nikolaos Mougios, Mehar Monga, Sofiia Reshetniak, Tiago Mimoso, ... Julia Preobraschenski, Ute Becherer, Tobias Moser, Edward S. Boyden, A. Radu Aricescu, Markus Sauer, Felipe Opazo, Silvio O. Rizzoli; "One-step nanoscale expansion microscopy reveals individual protein shapes"; Nature Biotechnology, 2024-10-9
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