Wissenschaftler entwickeln genaues und rückführbares Messverfahren für Nanopartikel
PTB
Die Wirkung von Nanopartikeln auf die Organe des Menschen oder die Umwelt ist bisher kaum untersucht worden. Ihr Verhalten ist in hohem Maß von ihrer Teilchengröße abhängig: Ein Partikel von 18 Nanometern Größe kann ganz andere Eigenschaften haben als ein 35 oder 160 Nanometer großes. Der Größenunterschied spielt dementsprechend eine wichtige Rolle bei der Abschätzung des Risikos dieser „Zwergpartikel“ für Mensch und Umwelt. Gleichzeitig bieten solch größenabhängige Eigenschaften die Möglichkeit zu vielfältigen technologischen Anwendungen. Ob nun Gesundheit- und Umweltrisiko oder technologischer Nutzen - die Größe der Nanopartikel genau zu kennen, ist in jedem Fall wichtig.
Daher hat die PTB ein neues Messverfahren für Nanopartikel entwickelt. Es vereint die Vorteile verschiedener Typen von Elektronenmikroskopen: Wissenschaftler rüsteten ein Rasterelektronenmikroskop (REM) mit einem Transmissionsdetektor auf. Dieser Aufbau ist weitaus kostengünstiger als ein Transmissionselektronenmikroskop (TEM). Mit Hilfe des Transmissionsdetektors können die Partikelgrenzen in vielen Fällen genauer dargestellt werden als mit einem konventionellen REM.
Ein Problem bei der hochgenauen Messung von Nanopartikeln ist die präzise Bestimmung des Partikelrandes, der in elektronenmikroskopischen Bildern „verschmiert“ ist. Bei welchem Grauwert beginnt das Partikel und welcher Bild-Pixel ist noch Hintergrund? Um diese Frage beantworten zu können, wird simuliert: Ein an der PTB entwickeltes Programm berechnet das Detektorsignal für ein Partikel einer festgelegten Größe, zum Beispiel 150 nm, und berücksichtigt dabei die Wechselwirkungen der Elektronen mit dem Partikel und die Eigenschaften des Detektors. Dann wird verglichen. Stimmt das berechnete Signal mit dem gemessenen überein, kann man aus der Simulation auf die reale Größe des untersuchten Teilchens schließen. Wenn nicht, wird mit einer anderen Teilchengröße weiter gerechnet, beispielsweise 151 nm, solange bis es eine Übereinstimmung beider Signale gibt.
Die PTB-Wissenschaftler untersuchten Vertreter aus den Materialklassen der Metalle, Keramiken und Kunststoffe und konnten zeigen, dass sich das Detektorsignal auch mit den Materialeigenschaften ändert. So wechselwirken die Elektronen beispielsweise mit dem sehr dichten Gold anders als mit Latex, das eine geringere Dichte hat. Die herkömmliche Herangehensweise, für alle Partikel dasselbe Kriterium für die Datenauswertung anzusetzen, egal um welches Material es sich handelt und wie groß sie sind, hat also ihre Schwächen.
Um sowohl Größe als auch Material der Partikel berücksichtigen zu können, hat die PTB eine automatische Auswertung entwickelt. Sie berechnet auf der Basis der Simulationsergebnisse für jeden einzelnen Partikel ein individuelles Detektorsignal für den Partikelrand. So wird eine an den jeweiligen Partikel angepasste, präzise Größenbestimmung ermöglicht. Trotz dieser aufwändigen Prozedur können mehrere hundert Aufnahmen in wenigen Minuten automatisch ausgewertet werden. Die PTB-Wissenschaftler haben außerdem eine Methode entwickelt, um viele Nanopartikel-Bilder nacheinander automatisch aufnehmen zu können. Somit sind sie nun in der Lage, durch das Messen und Auswerten bis zu einiger tausend Partikel eine Probe innerhalb eines Tages zu charakterisieren.
Das neue Messverfahren der PTB könnte dazu beitragen, innerhalb der europäischen Union zertifizierte Referenzmaterialien herzustellen. Referenzmaterialien dienen dazu, europaweit alle Messungen mit einem definierten Standard zu vergleichen. Nur auf diese Weise lassen sich Messergebnisse verschiedener Labore vereinheitlichen.
Originalveröffentlichung: E. Buhr, N. Senftleben, T. Klein, D. Bergmann, D. Gnieser, C.G. Frase, H. Bosse; "Characterization of nanoparticles by scanning electron microscopy in transmission mode"; Measurement Science and Technology, Vol. 20, 084025 (9p), 2009