Der "Steckbrief" von Neon wird genauer
PTB-Forscher bestimmen die Polarisierbarkeit von Neon extrem genau - ihr Verfahren hilft theoretische Modelle zu überprüfen und nutzt auch bei anderen Elementen
PTB
Im Boltzmann-Projekt der PTB soll die bisherige Definition der Basiseinheit der Temperatur im Internationalen Einheitensystem (SI), Kelvin, auf eine noch solidere Grundlage gestellt werden. Zurzeit dient der sogenannte Tripelpunkt von Wasser, also jene Temperatur, bei der Wasser gleichzeitig fest, flüssig und gasförmig vorliegt, als Bezug. In ein paar Jahren könnte es eine Naturkonstante sein: die Boltzmann-Konstante. In ihrem Projekt setzen die PTB-Physiker die Dielektrizitätskonstanten-Gasthermometrie ein. Dabei wird die relative Kapazitätsänderung eines Kondensators durch das Messgas bestimmt. Eine Schlüsselrolle spielt dabei die Polarisierbarkeit des Messgases. Das ist bisher Helium, das als einzige Atomsorte eine Berechnung der Polarisierbarkeit auf dem notwendigen geringen Unsicherheitsniveau zulässt. Nach den neuesten Messungen an Neon, das eine höhere Polarisierbarkeit besitzt, haben die Physiker erstmals ein zweites Messgas zur Verfügung. Es ermöglicht unerlässliche Konsistenzchecks bei der Messung der Boltzmann-Konstante am Wassertripelpunkt.
Den Wissenschaftlern gelang die Messung der molaren statischen Polarisierbarkeit von Neon mit der bisher unerreichten relativen Unsicherheit von 0,00001. Neben der zentralen Bedeutung der Größe Polarisierbarkeit im Zusammenhang mit fundamentalen Wechselwirkungen, z. B. als Schlüsselgröße bei der sehr schwachen Van-der-Waals-Wechselwirkung, hat diese Bestimmung auch für die theoretische Chemie große Bedeutung. In den letzten Jahrzehnten hat sich die theoretische Berechnung physikalisch-chemischer Größen sehr rasch entwickelt. Dabei konnte sich eine große Zahl unterschiedlichster Berechnungsvarianten herausbilden. Eine Gruppe sehr leistungsstarker Methoden sind die sogenannten „Post-Hartree Fock“-Verfahren. Der neue Wert für die Polarisierbarkeit von Neon ermöglicht es nun, die unterschiedlichen Varianten zu vergleichen und ein objektives Kriterium für deren Güte zu bekommen.
Denn letztendlich entscheidet das Experiment, ob eine Theorie die Natur richtig beschreibt. Bei Neon liegt die letzte experimentelle Bestimmung der statischen Polarisierbarkeit allerdings schon über 40 Jahre zurück. Die Messungen in der PTB haben nun gezeigt, dass der erhaltene alte Wert deutlicher falscher ist, als nach der angegebenen Unsicherheit zu erwarten wäre. Im Gegensatz dazu zeigt der neue Wert der PTB eine nahezu perfekte Übereinstimmung mit neuesten theoretischen Werten. Die Messunsicherheit des Experimentes ist noch um fast zwei Größenordnungen geringer (also besser) als die der genauesten theoretischen Berechnungen.
Die Erfahrungen lassen sich auf andere Moleküle und andere physikalische Größen wie z. B. Wärmeleitfähigkeit und Viskosität übertragen.
Originalveröffentlichung: Gaiser, C.; Fellmuth, B.; "Experimental benchmark value for the molar polarizability of neon"; EPL 90 (2010) 63002, 15.07.2010