Geteiltes Elektron blitzt im Streifflug auf
Ultrakurze Laserpulse lassen sich vielleicht auf vielfältigere Weise erzeugen als gedacht
Max-Planck-Institut für Kernphysik - Markus Kohler
Ein verknackster Fuß oder ein unbequem sitzender Weisheitszahn, geröntgt wurde wohl jeder schon einmal. Beim Röntgen durchleuchtet sehr energiereiche Strahlung das Knochengewebe und offenbart dessen Struktur. Doch auch Wissenschaftler sind auf verschiedene Arten von Strahlung angewiesen, wenn sie Materialien oder Prozesse in Molekülen analysieren. Dabei schneiden sie die Eigenschaften ihrer Lichtquellen auf das jeweilige Experiment zu und versuchen ständig, diese zu optimieren.
Viele dieser Verfahren beruhen auf demselben einfachen Prinzip: Materie wird von einer passenden Lichtquelle bestrahlt oder durchleuchtet. Das reflektierte oder gestreute Licht liefert dann ein Abbild der Materiestruktur. Diese Methode stößt jedoch bei sehr kleinen, komplexen Objekten mit sich zeitlich sehr rasch ändernden Strukturen an ihre Grenzen. Ultrakurze Prozesse, die in der Tiefenstruktur einzelner Moleküle oder gar Atome ablaufen, lassen sich damit nicht mehr auflösen.
Vielleicht könnte dem bald Abhilfe geschaffen werden. Zumindest den Berechnungen zufolge, die Forscher um Thomas Pfeifer am Max-Planck-Institut für Kernphysik angestellt haben. Demnach können zwei freie Teilwellen ein und desselben Elektrons ultrakurze Laserblitze erzeugen, wenn sie Atome oder Moleküle nur streifen. Dabei spüren sie zwar das Potenzial der Teilchen, werden aber nicht von ihm eingefangen. Bisher waren die Forscher davon ausgegangen, dass das Elektron mit dem Atomrumpf rekombinieren muss, um diese Art der Strahlung freizusetzen. Außerdem muss das Atom oder Molekül, dessen Potenzial die freien Elektronenwellen durchlaufen, nicht einmal ionisiert sein, um diesen Effekt hervorzurufen.
"Dies eröffnet ganz neue Möglichkeiten zur Strukturanalyse von hochkomplexen Molekülen", sagt Pfeifer. "Denn die emittierten ultrakurzen Laserblitze enthalten Informationen über den räumlichen Potenzialverlauf auch im tiefen Innern eines Atoms oder Moleküls." Die so erzeugte Strahlung könnten Forscher somit selbst schon als Sonde für die Potenzialstruktur verwenden, und dies, ohne in sie einzugreifen und diese womöglich zu verändern.
Ultrakurze Laserpulse erzeugen Physiker schon länger anhand einzelner Elektronen. Dabei machen sie sich die quantenmechanische Wellennatur dieser geladenen Teilchen zu Nutze. Sie erlaubt es ihnen, ein Elektron mit einem extrem starken Laserfeld teilweise von einem Atomrumpf zu lösen, während der restliche Teil desselben Elektrons am Atom verbleibt. Trifft der freie Anteil des Elektrons wieder auf sein Ion, interferiert dieser mit dem gebundenen Eleltronanteil und sendet einen ultrakurzen, kohärenten Lichtblitz aus. Dabei rekombiniert das Elektron wieder vollständig mit dem Ion.
Die so erzeugten Laserpulse von nur Femto- oder Attosekunden Länge (10 hoch -15 beziehungsweise 10 hoch -18 Sekunden) verwenden die Wissenschaftler, um zum Beispiel chemische Prozesse in Molekülen zu studieren. Allerdings erlaubt diese Methode bislang nur den Blick auf die äußersten elektronischen Schichten eines Moleküls. Der Einblick in tiefere Schichten bleibt noch verwehrt.
Die Berechnungen, die maßgeblich von Markus Kohler im Rahmen seiner Doktorarbeit am Max-Planck-Insitut für Kernphysik durchgeführt wurden, stellen nicht nur eine neue experimentelle Methode in Aussicht, die Aufschluss über die Tiefenstruktur von Molekülen geben könnte. Sie verallgemeinern auch das theoretische Verständnis, wie sich ultrakurze Laserpulse von zwei Wellenpaketen eines einzelnen Elektrons erzeugen lassen.
Originalveröffentlichung: Markus C. Kohler, Christian Ott, Philipp Raith, Robert Heck, Iris Schlegel, Christoph H. Keitel, and Thomas Pfeifer; "High Harmonic Generation Via Continuum Wave-Packet Interference"; Physical Review Letters
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