Weltrekord-Algorithmus aus Jülich berechnet über drei Billionen Teilchen
Auch andere und deutlich kleinere Anwendungen können von dem optimierten Algorithmus profitieren. Die schnelle Multipol-Methode dient generell dazu, räumlich unbegrenzt wirkende Wechselwirkungen zwischen Teilchen zu berechnen. Dazu zählen die in der Praxis häufig wichtigsten physikalischen Kräfte: die Gravitation und die elektromagnetische Wechselwirkung, der Grundlage für die Ausbreitung von Licht, Elektrizität, chemische Reaktionen und den Aufbau von Feststoffen, Molekülen und Atomen. Da in solchen Systemen jedes Teilchen mit jedem anderen wechselwirkt, steigt die Gesamtanzahl aller zu berücksichtigenden Wechselwirkungen quadratisch an und nimmt schnell extreme Ausmaße an.
Wollte man die Wechselwirkungen zwischen drei Billionen Teilchen direkt berechnen, würde ein Superrechner wie JUGENE mit seinen 294.912 Prozessoren für einen einzigen Durchgang 32.000 Jahre benötigen. Ein gewöhnlicher PC wäre sogar eine Milliarde Jahre lang beschäftigt. Mit Hilfe der schnellen Multipol-Methode lassen sich weit entfernte Teilchen zu Clustern zusammenfassen, die durch sogenannte Multipol-Momente beschrieben werden. So müssen nicht mehr alle Wechselwirkungen einzeln berechnet werden, was die Rechenzeit mit dem in Jülich optimierten Algorithmus auf Deutschlands schnellstem Superrechner JUGENE auf 695 Sekunden verkürzte.
Großangelegte Simulationen wie etwa in der Astrophysik zur Evolution des Universums waren bisher auf mehrere hundert Milliarden Teilchen beschränkt. Um diese Grenze nach oben zu verschieben, "schraubten" die Jülicher Wissenschaftler am benötigten Speicheraufwand. "Superrechner wie JUGENE haben trotz ihrer extremen Rechenleistung häufig relativ kleine Speicher pro Prozessor, in der Regel weniger als ein PC. Deshalb ist die Teilchenanzahl eher durch den Speicher als durch die Prozessorleistung beschränkt", berichtet der Wissenschaftler Ivo Kabadshow.
Zur Optimierung entwickelte das Jülicher Team einen neuen Algorithmus zur automatischen Fehlerkontrolle und Rechenzeitminimierung. Dieser reduziert den Speicherbedarf und beschleunigt die Rechnung. "Die FMM galt schon immer als schnelle Methode. Aber bisher war es kaum möglich, sie optimal einzustellen. Die benötigte Rechenzeit hängt von drei verschiedenen Parametern ab, die sich gegenseitig beeinflussen und im Prinzip fortlaufend neu angepasst werden müssten. Durch eine unzureichende Anpassung dieser Parameter kann sich die Rechenzeit schnell um das zehn- bis hundertfache erhöhen", erläutert der Jülicher Forscher Holger Dachsel. Besonders die Anwender werden deshalb von der einfachen Handhabbarkeit der verbesserten Methode profitieren. Denn die Jülicher FMM stellt alle Parameter automatisch fortlaufend optimal ein und erlaubt so einen einfacheren Zugang zum Algorithmus. Die in Zusammenarbeit mit dem Argonne National Laboratory (ANL) und der TU Chemnitz entwickelte Bibliothek ist ab sofort frei verfügbar.
Meistgelesene News
Weitere News aus dem Ressort Wissenschaft
Holen Sie sich die Analytik- und Labortechnik-Branche in Ihren Posteingang
Ab sofort nichts mehr verpassen: Unser Newsletter für Analytik und Labortechnik bringt Sie jeden Dienstag auf den neuesten Stand. Aktuelle Branchen-News, Produkt-Highlights und Innovationen - kompakt und verständlich in Ihrem Posteingang. Von uns recherchiert, damit Sie es nicht tun müssen.