Bessere Vergleichbarkeit von Blutuntersuchungen

PTB entwickelt Primärnormal zur Qualitätssicherung hämatologischer Untersuchungen

01.02.2012 - Deutschland

Die Ergebnisse von Blutuntersuchungen liefern Ärzten entscheidende Hinweise auf den Gesundheitszustand ihrer Patienten. Das sogenannte Kleine Blutbild gehört zu den am häufigsten durchgeführten Untersuchungen der Labormedizin. Hierbei werden unter anderem Anzahl und Beschaffenheit von roten und weißen Blutkörperchen sowie Blutplättchen untersucht. Wissenschaftler der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) haben nun ein Primärnormal zur Konzentrationsbestimmung von roten Blutkörperchen entwickelt, mit dem sich die Qualitätssicherung bei Blutuntersuchungen verbessern lässt. Damit erhalten Mediziner eine verlässlichere Grundlage für Diagnose und Behandlung.

PTB

Schematische Darstellung der Messzelle, die für Referenzwertbestimmungen verwendet wird: A: Probeneinlass, B: Abflusskanüle, C: Vorderer Hüllstrom, D: Hinterer Hüllstrom, E: Messöffnung (Ø 40 µm oder 60 µm), F: Elektroden

Das Primärnormal der PTB wird in Ringversuchen zur Bestimmung von Referenz-Messwerten eingesetzt, mit deren Hilfe teilnehmende Laboratorien regelmäßig die Qualität ihrer Ergebnisse prüfen und bewerten können. Seit 2002 schreiben die Richtlinien der Bundesärztekammer solche Ringversuche zum Kleinen Blutbild für klinische Laboratorien zur externen Qualitätssicherung vor. Damit wird sichergestellt, dass die Ergebnisse vergleichbar sind und sich die Gefahr von Fehlmessungen, die zu Fehldiagnosen und möglicherweise falschen Behandlungsansätzen führen könnten, verringert. Neu ist nun nicht nur eine erhöhte Genauigkeit, die durch das neue Primärnormal zustande kommt, sondern auch die Möglichkeit, das Verfahren bei sehr kleinen Flüssigkeitsmengen einsetzen zu können, wie z.B. bei der Untersuchung von Liquor (Gehirn-Rückenmarks-Flüssigkeit). Nächstes Ziel der Forscher ist es, primäre Referenz-Messverfahren für weitere Zelltypen zu entwickeln und Medizinern außerdem ein auf Relativmessungen beruhendes sekundäres Referenz-Messverfahren an die Hand zu geben, das sie selbst direkt vor Ort im Labor anwenden können, um die Qualität der eigenen Analysen zu überprüfen. Langfristig unterstützen die PTB-Wissenschaftler das Bestreben, international harmonisierte Standards einzuführen, um medizinische Diagnosen länderübergreifend vergleichbar zu machen.

Das in der PTB entwickelte primäre Referenz-Messverfahren zur Konzentrationsbestimmung von Erythrozyten beruht auf dem durchflusszytometrischen Nachweis von Zellen durch Impedanzmessungen. Um zufällige, sowohl von instrumentellen Parametern als auch von den Eigenschaften der Probe abhängige Zählverluste zu berücksichtigen, werden Verdünnungsreihen untersucht. Der Referenz-Messwert der Zellkonzentration wird dabei durch Extrapolation auf verschwindenden Volumenanteil der Probe in der Messsuspension bestimmt. Mit diesem Verfahren werden Messunsicherheiten erreicht, die um eine Größenordnung geringer als die Bewertungsgrenzen der verpflichtenden Ringversuche sind.

In der Metrologie ist es üblich, Messungen physikalischer Größen mithilfe eines primären Messverfahrens auf die Basiseinheiten des Internationalen Einheitensystems (Kilogramm, Meter, Sekunde, Mol, Candela, Ampere, Kelvin) zurückzuführen. Die festgelegte Definition dieser Einheiten bietet somit den gemeinsamen Bezugsrahmen, auf den sich alle Messungen beziehen – dadurch werden sie untereinander vergleichbar. Bei Messungen an biologischen Systemen ist das ungleich schwieriger, denn eine vollständige Analyse der Einflussgrößen und Störfaktoren sowie eine detaillierte Messunsicherheitsbetrachtung sind für viele Analyte in biologischen Systemen aufgrund ihrer Komplexität nur schwierig zu erfüllen. Daher sind auch bei der Blutzellzählung nur für wenige Targetzellen – nämlich Erythrozyten, Leukozyten und Thrombozyten – standardisierte Verfahren beschrieben, die potenziell als primäre Referenz-Messverfahren geeignet sind.

Zukünftige Forschungen in der PTB werden die Zählung immunologisch relevanter Targetzellen mit einbeziehen, wie beispielsweise CD4 positive T-Helfer-Lymphozyten. Eine Konzentration dieser Zellen unterhalb eines bestimmten Schwellwertes kann auf eine HIV-Infektion hinweisen.

Originalveröffentlichung

M. Kammel, A. Kummrow, J. Neukammer, Referenzmessverfahren für die genaue Bestimmung von Zellkonzentrationen: Status und zukünftige Entwicklungen, LaboratoriumsMedizin 36, Issue 1 (Jan 2012) Pages 25–35

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