Agrarabfälle liefern Biotenside für die Biokosmetik

13.03.2012 - Deutschland

Pflanzenhalme, Schalen, Spelzen und Hülsen fallen in der ökologischen Landwirtschaft in großen Mengen als Abfälle an. In einem von der EU geförderten Projekt wollen Forscher des Fraunhofer IGB in Zusammenarbeit mit internationalen Partnern aus Wissenschaft und Industrie diese Abfälle zur Herstellung von Biotensiden für Naturkosmetika nutzen.

Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik

Agrarabfälle zertifizierter Erzeuger sollen Biotenside für Kosmetikprodukte liefern.

Tenside finden sich in Putz- und Waschmitteln, ebenso in Kosmetika. Shampoos, Duschgele und Badezusätze bestehen bis zu 40 Prozent aus Tensiden. Sie setzen die Oberflächenspannung von Wasser herab, so dass sich Öl mit Wasser mischen lässt. Jährlich werden etwa 18 Millionen Tonnen Tenside produziert, zumeist auf chemischem Weg und auf Erdölbasis. Ein Viertel wird mittlerweile aus den Ölen nachwachsender Rohstoffe hergestellt, in der Regel Kokos- oder Palmkernöl. Doch auch Mikroorganismen produzieren waschaktive Stoffe, die Biotenside genannt werden. Allerdings werden nur wenige dieser Biotenside industriell produziert, da ihre Herstellung noch vergleichsweise kostenintensiv ist. Damit Biotenside auch für die Naturkosmetik lukrativ werden, entwickeln Forscher des Fraunhofer-Instituts für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB in dem zum 1. Januar 2012 gestarteten, von der EU geförderten Projekt »O4S – Sustainable surfactant production from renewable resources through natural fermentation for applications in natural, organically-certified products« einen nachhaltigen, kostensenkenden Herstellungsprozess.

Hierzu wollen die Forscher cellulose- oder ölhaltige Abfälle und Reststoffe aus der ökologischen Landwirtschaft als Rohstoffe für einen biotechnologischen Prozess nutzen. Cellulose ist ein natürliches Polymer aus Zuckereinheiten, das in allen Pflanzenbestandteilen vorkommt. Wird Cellulose in seinen Grundbaustein Glukose gespalten, stehen die Zuckermoleküle als Substrat für die Mikroorganismen zur Verfügung. »Verschiedene Bakterien und Pilze bilden aus diesen Zuckern oder auch Ölen unter natürlichen Bedingungen Biotenside. In einem Bioreaktor können die Mikroorganismen gezüchtet und die Biotenside industriell gewonnen werden«, erläutert die Biologin und Ingenieurin Susanne Zibek.

Im Projekt werden zunächst verschiedene, natürlich vorkommende Stämme von Mikroorganismen in Hinblick auf ihre Einsatzfähigkeit untersucht: Wichtige Parameter für den Fermentationsprozess sind, welche Stämme sich stabil im Bioreaktor züchten lassen, welche Biotenside sie produzieren und in welchen Mengen. Eine weitere Herausforderung für die Forscher ist die wirtschaftliche und gleichzeitig ökologische Aufreinigung der Substanzen aus der Fermentationsbrühe. »Hier werden wir lediglich schonende Umwandlungs- und Aufarbeitungsverfahren einsetzen«, erläutert Dr. Ana Lucia Vasquez, die das Projekt mit allen Partnern koordiniert. Im Vergleich zu herkömmlich hergestellten Tensiden aus Erdölrohstoffen sind Biotenside umweltverträglicher, biokompatibel und biologisch abbaubar. Sie können aufgrund einer komplexeren Struktur ein potenziell größeres Wirkungsspektrum besitzen. Einige Biotenside wirken sogar antimikrobiell, was sie als Bestandteil von Reinigungsmitteln für die Haut interessant macht. Andere Tenside sind Schaumbildner und binden Schmutz, weshalb sie in Duschgels und Shampoos vorkommen. Die unter Beachtung der strengen ökologischen Bestimmungen hergestellten Biotenside könnten auch für Anwendungen im Lebensmittel- und Pharmabereich eingesetzt werden, ebenso wie in der Umweltsanierung nach Ölkatastrophen und der Detoxifizierung von Abwässern.

»Die Verwendung von Abfallprodukten aus der ökologischen Landwirtschaft senkt nicht nur die Produktionskosten, sondern stellt auch die Nachhaltigkeit der Tenside sicher«, sagt Vasquez. »Wir werden alle Zertifizierungsschritte begleiten. So können große Mengen Abfall aus zertifiziertem ökologischem Anbau effektiv genutzt werden.« In der EU müssen ökologisch zertifizierte Produkte zu mindestens 70 Prozent aus organisch produzierten Bestandteilen bestehen, Nahrungsmittel sogar zu 95 Prozent. Um dies zu gewährleisten, arbeiten die Forscher des Fraunhofer IGB mit Partnern wie NATRUE: International Natural and Organic Cosmetics Association (BE), Naturland – Verband für ökologischen Landbau e.V. (DE) und Green Sugar (DE) sowie Intelligent Formulation (UK), Farfalla Essentials (CH), Grüne Erde (AT), Biotrend (PT), Cremer Oleo (DE), VITO (BE), Institut Dr. Schrader Creachem (DE), Asociacion Riojana Profesional de Agricultura Ecologica (ES) und Cevkor Vakfi (TR) zusammen.

Weitere News aus dem Ressort Wissenschaft

Meistgelesene News

Weitere News von unseren anderen Portalen