Trennung von Blutzellen im Mikrofluss

Methode nutzt die Liftkraft im laminaren Fluss zur Separierung von roten Blutkörperchen und Blutplättchen

29.05.2012 - Deutschland

Eine neue Methode zur Auftrennung von Blutzellen hat die Mikrofluidikgruppe von Dr. Thomas Franke am Lehrstuhl für Experimentalphysik I der Universität Augsburg jetzt in den "Applied Physics Letters" vorgestellt. Ein hydrodynamischer Effekt, die sogenannte Liftkraft, sorgt dafür, dass sich deformierbare Teilchen in winzigen Kanälen von der Größenordnung menschlicher Kapillaren von der Wand entfernen. Je nachdem wie groß oder deformierbar die Zellen sind, bewegen sie sich unterschiedlich schnell Richtung Kanalmitte. Dies führt am Ende des Mikrokanals zu einem Positionsunterschied, der zur Trennung der Zellen genutzt werden kann. Anwendungsmöglichkeiten dieser Methode liegen einerseits in der medizinischen Diagnose weit verbreiteter Krankheiten wie Malaria, Diabetes oder Bluthochdruck, andererseits lässt sie sich auch zur Aufbereitung von Zellen in Laboren nutzen.

© American Institute of Physics (AIP)

Abb.1: Schema des Mikrokanals und des Trennvorganges

© American Institute of Physics (AIP)

Abb.2: Mit einer Hochgeschwindigkeitskamera aufgenommene Mikroskopbilder an den Stellen x1 und x2 (vgl. Abb.1)

© American Institute of Physics (AIP)
© American Institute of Physics (AIP)

Welche physikalischen Effekte spielen im Blutfluss eine Rolle? Wie verhalten sich rote Blutkörperchen in menschlichen Blutgefäßen? Was können wir daraus lernen und können wir diese Effekte sinnvoll nutzen? Antworten auf diese Fragen sucht das Team von Franke bereits seit einigen Jahren. Mikrofluidik, die Wissenschaft von der Strömung kleiner Flüssigkeits- oder Gasmengen, spielt dabei eine wichtige Rolle. In Kanälen der Größe eines menschlichen Haares treten nämlich Effekte auf, die wir aufgrund unserer makroskopischen Alltagserfahrungen nicht kennen und so nicht erwarten.

Ein Beispiel hierfür ist der laminare Fluss, in dem Flüssigkeiten wirbelfrei nebeneinander fließen können. Die Flüssigkeit fließt hierbei in Schichten, die sich nicht miteinander vermischen. Ein gänzlich neuer Effekt tritt jedoch auf, wenn sich deformierbare Objekte, wie beispielsweise biologische Zellen in einem solchen laminaren Fluss bewegen. Diese können sich nämlich sehr wohl quer zur Strömungsrichtung bewegen, und so in benachbarte Strömungsschichten gelangen. In der Nähe einer begrenzenden Wand ist dieser Effekt immer so gerichtet, dass die Zellen sich von dieser entfernen. Dieser hydrodynamische Lift-Effekt ist desto stärker ausgeprägt, je größer und weicher die Zellen sind.

Im menschlichen Körper führt dies dazu, dass die großen und weichen roten Blutkörperchen zumeist in der Mitte der Blutgefäße fließen, was den Strömungswiderstand enorm verringert, während die (kleineren) Blutplättchen näher an der Wand bleiben, wo sie im Falle einer Verletzung für den Wundverschluss gebraucht werden.

Imitation des Blutflusses auf einem Mikrochip

Dass dieser Effekt bionisch, also auf dem Weg einer technischen Umsetzung biologischer Prinzipien, auf einem kleinen Chip imitiert und zum Trennen von Zellen genutzt werden kann, haben die Augsburger Wissenschaftler nun folgendermaßen experimentell nachgewiesen: Sie injizierten eine Mischung aus Blutzellen in einen rechteckigen Mikrokanal mit einer Kantenlänge von 100 Mikrometern im Querschnitt (vgl. Abb. 1). Dort werden die Zellen zunächst von einem weiteren Zufluss an den Kanalboden gedrückt, bevor sie sich auf den Weg durch den 2 Zentimeter langen Kanal machen. Am ersten Messpunkt (x1) sind die roten Blutkörperchen und die Blutplättchen noch durchmischt und im Mittel auf gleicher Höhe. Auf ihrem Weg durch den Kanal steigen die roten Blutkörperchen dann aber deutlich weiter zur Kanalmitte hin als die Blutplättchen, so dass Blutkörperchen und Blutplättchen am Punkt x2 also voneinander getrennt werden können. Dass dieser Effekt nicht nur von der Größe der Zellen abhängt, sondern auch von ihrer Deformierbarkeit und Form, konnte durch die erfolgreiche Trennung von Blutplättchen und gleich großen Polystyrolkügelchen nachgewiesen werden.

"Der große Vorteil unserer Methode ist, dass sie sich in Form eines Einwegartikels umsetzen lässt und zum Antrieb des Flusses nicht einmal eine Pumpe benötigt wird", erläutert Thomas Geislinger, Erstautor der Veröffentlichung. Das wenige Zentimeter große System erfülle damit die Kriterien für die Integration in sogenannte "Lab-on-a-Chip"-Systeme, es werde sich also als Teil eines kleinen Labors auf einem einzigen Mikrochip nutzen lassen.

Solche Minilabore finden in der Medizin zur Diagnose von zahlreichen Krankheiten wie Malaria, Diabetes oder Bluthochdruck Verwendung. Da sie billig sind und fast überall betrieben werden können, ist ihre Entwicklung insbesondere für die medizinische Versorgung in Entwicklungsländern von enormer Bedeutung.

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