Quanten-Wettlauf der Elektronen
Die Wechselwirkung von Elektronen bestimmt die Eigenschaften von Atomen und Molekülen, welche die Grundbausteine von Lebewesen und allen künstlich geschaffenen Objekten sind. Das Verständnis der elektronischen Eigenschaften von Atomen ist daher für viele zukünftige Anwendungen unverzichtbar, von der Medizin bis hin zur Technik. Wenn ein Photon mit genügend Energie auf ein Atom trifft, kann es ein Elektron herauslösen. Albert Einstein nannte diesen Prozess bereits 1905 „Photoionisation“(Photoeffekt) und bestätigte damit eine Theorie des Kieler Wissenschaftlers Max Planck, die bald die Physik revolutionieren sollte: die Quantenmechanik. Diese sagt voraus, dass sich das vom Atom wegbewegende Elektron wie eine Welle verhält. In den 1920er Jahren entdeckten unabhängig voneinander Lise Meitner und Pierre Auger einen weiteren Effekt: Bei Einstrahlung einer bestimmten Photonenenergie kann ein zweites Elektron aus dem Atom herausgelöst werden, ein sogenanntes Auger-Elektron. Falls sich dieses in die gleiche Richtung wie das erste bewegt, beginnt ein Wettrennen der beiden Elektronenwellen.
Dieses Wettrennen von zwei Elektronen ist extrem schnell. Es dauert zwischen einer und einhundert Femtosekunden (1fs = 0.000 000 000 000 000 001s). „Bis heute hat kein Experiment den Verlauf dieses Rennens ‚gefilmt’“, sagt Professor Markus Drescher vom Institut für Experimentelle Physik der Universität Hamburg, Leiter des experimentellen Teils des Projektes. Der Schlüssel zu der erfolgreichen Beobachtung des Elektronenrennens war die Verwendung des Freie-Elektronen-Lasers FLASH bei DESY mit einer ultraschnellen Schmierbildkamera. Durch eine genaue Synchronisation der elektromagnetischen Felder des Lasers und der Kamera konnten die Wissenschaftler die Bewegung der Elektronen und ihren gegenseitigen Energieaustausch rekonstruieren. Auf diese Weise wiesen sie nach, wie das Auger-Elektron das erste Elektron überholt.
Am Institut für Theoretische Physik und Astrophysik der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel versuchte die Forschungsgruppe um Professor Michael Bonitz, die experimentellen Befunde mit Computersimulationen nachzubilden. „Wir haben verschiedene Erklärungen für die Beobachtungen geprüft“, fügt Bonitz hinzu. „Schließlich konnte unser Doktorand Sebastian Bauch nachweisen, dass das Experiment tatsächlich das Wettrennen zweier Elektronen beobachtet hat.“
Die Kieler arbeiten mit den am Experiment beteiligten Wissenschaftlern aus Hamburg in einem Forschungsverbund namens „FLASH“ zusammen. Es wird gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung.
Die Ergebnisse erlauben es weiterhin, zentrale Eigenschaften der beteiligten Laserpulse zu bestimmen. In den letzten Jahren hat sich die Technologie der Freie-Elektronen-Laser schnell weiterentwickelt. In diesem Kontext sind die neu gewonnenen Resultate wichtig für eine Verbesserung der Qualität und Präzision zukünftiger Experimente mit Freie-Elektronen-Lasern.
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