Forscher „röntgen“ erstmals Rußpartikel im Flug
Duane Loh & Andy Freeberg, SLAC National Accelerator Laboratory
Aerosole wie Ruß spielen in vielen Bereichen eine wichtige Rolle, von der Umwelttoxikologie bis zur Klimaforschung. Trotz ihrer Bedeutung sind ihre Eigenschaften überraschend schwierig zu messen. Sichtbares Licht bietet nicht die nötige Auflösung für die feinen Details der Schwebstoffe. Röntgenquellen ermöglichen zwar eine hohe Auflösung, sind aber in der Regel nicht hell genug, um einzelne Partikel abzulichten. Und für die Untersuchung im Elektronenmikroskop müssen die Aerosole erst auf ein Substrat aufgebracht werden, was ihre Struktur verändern kann und das Zusammenklumpen fördert.
Das Team nutzte daher den gegenwärtig stärksten Röntgenlaser der Welt, den Freie-Elektronen-Laser (FEL) LCLS am US-Beschleunigerzentrum SLAC in Kalifornien. Freie-Elektronen-Laser sind Teilchenbeschleuniger, die nahezu lichtschnelle, ungebundene (freie) Elektronen auf einen enggesteckten Slalomkurs schicken, so dass sie Röntgenlicht abstrahlen. Mit dem European XFEL entsteht in Hamburg zurzeit der modernste Röntgenlaser der Welt.
An der LCLS konnte das Team insgesamt 174 einzelne Rußpartikel ablichten, die durch den Laserstrahl schwebten. Die Untersuchung konzentrierte sich auf Partikel mit einem Durchmesser von weniger als 2,5 tausendstel Millimetern (Mikrometern). Aerosole dieser Größe dringen leicht in die menschliche Lunge vor und gelten als zweitwichtigster Faktor bei der globalen Erwärmung.
Die Forscher schlugen die winzigen Rußpartikel mit elektrischen Funken aus einem Stück Graphit und schickten sie in einem Trägergas aus Argon und Stickstoff durch eine sogenannte aerodynamische Linse. Diese Linse formte einen dünnen Luftstrahl mit Rußteilchen darin, der den Weg des Röntgenlasers kreuzte. Der Laser erzeugt zahlreiche kurze Röntgenpulse. Jedes Mal, wenn ein solcher Röntgenblitz zufällig ein Rußteilchen trifft, entsteht ein charakteristisches Beugungsmuster, aus dem sich die individuelle Struktur jedes abgelichteten Rußpartikels rekonstruieren lässt. „Wir besitzen jetzt ein besseres Abbildungswerkzeug, um die Verbindung zwischen ihrer Giftigkeit und ihrer inneren Struktur zu erkunden“, erläutert Erstautor Duane Loh vom SLAC.
„Die Struktur der Rußteilchen bestimmt, wie sie Licht streuen, und das ist wichtig um zu verstehen, wie Sonnenenergie von der Erdatmosphäre absorbiert wird“, erläutert Ko-Autor Andrew Martin von DESY. „Darüber hinaus existieren zahlreiche Verbindungen zwischen Schwebeteilchen mit einer Größe von etwa zwei Mikrometern und nachteiligen Gesundheitsfolgen. Mit Freie-Elektronen-Lasern sind wir jetzt in der Lage, die Form und die Zusammensetzung individueller Schwebeteilchen zu untersuchen. Damit können wir vielleicht besser verstehen, wie diese Partikel die Funktion von Lungenzellen beeinträchtigen.“
Die Forscher maßen unter anderem die sogenannte fraktale Dimension der Rußpartikel, die angibt, wie kompakt die Teilchen sind. „Wir haben festgestellt, dass die fraktale Dimension höher ist als erwartet“, berichtet Chapman. Außerdem scheint die Struktur von schwebenden Rußpartikeln überraschend variabel zu sein. „Es gibt erhebliche Unterschiede in der fraktalen Dimension, was darauf hindeutet, dass eine Menge Umorganisation in der Luft stattfindet.“
Eines der wichtigsten langfristigen Ziele der Arbeit ist es daher, Schnappschüsse von den Schwebeteilchen aufzunehmen, während sie Größe, Form und chemische Zusammensetzung als Reaktion auf unterschiedliche Umgebungen ändern. „Wissenschaftler können nun hoffen, einmal in der Lage zu sein, die Entstehung von Ruß aus den molekularen Bausteinen direkt im Verbrennungsmotor zu beobachten oder vielleicht sogar die ersten Schritte der Eiskristallbildung in Wolken“, sagt Forschungsleiter Michael Bogan vom SLAC.
In der Realität kommt Ruß selten in reiner Form vor. Um die Folgen einer Vermischung mit anderen Aerosolen zu untersuchen, fügten die Forscher dem Ruß einen Salznebel hinzu. Die Rußpartikel lagerten sich daraufhin an die winzigen Salzkristalle an. Solche Mischaerosole können beispielsweise in Küstenstädten entstehen. Forscher nehmen an, dass sie einen deutlich größeren Klimaeffekt haben als Ruß alleine. Mischaerosole sind deutlich komplizierter zu analysieren. Die neue Technik konnte jedoch eindeutig zwischen Salz- und Rußpartikeln und einer Mischung aus beiden unterscheiden.
Da die Aerosolpartikel durch den intensiven Laserblitz verdampfen, ließ sich die chemische Zusammensetzung jedes abgelichteten Teilchens mit Hilfe eines Massenspektrometers bestimmen. Diese Untersuchung bestätigte die optische Analyse. Obwohl der Laser die untersuchten Teilchen zerstört, produziert er noch vor der Zerstörung ein deutliches Beugungsmuster, aus dem sich die intakte Struktur des Untersuchungsobjekts bestimmen lässt.
Die neue Röntgentechnik lässt sich nach Meinung der Forscher auf alle Arten Aerosole anwenden und noch darüber hinaus erweitern. „Wir sind jetzt in der Lage, die Struktur von Ruß zu untersuchen, indem wir individuelle Partikel in einem großen Ensemble messen“, erläutert Martin. „Biologische Proben wie Zellen und große Proteine sind von ähnlicher Größe wie die Rußpartikel, die wir untersucht haben, und ihnen fehlt ebenso eine feste, reproduzierbare Struktur. Künftig könnte es möglich sein, diese Technik über Aerosole hinaus auszudehnen auf die Untersuchung allgemeiner Strukturänderungen in biologischen Systemen.“
Das Forscherteam umfasst Mitglieder von SLAC, DESY, dem Lawrence Berkeley National Laboratory, der Max-Planck-Gesellschaft, des National Energy Research Scientific Computing Center, des Lawrence Livermore National Laboratory, der Cornell University der Universität Hamburg, des Synchrotron Trieste und der Universität Uppsala.