Blutzucker messen ohne Pieks

05.09.2012 - Deutschland

Der tägliche Stich in den Finger gehört für viele Diabetes-Patienten zum Alltag. Eine nicht-invasive Messmethode könnte sie von dem ständigen Pieksen befreien. Herzstück ist ein Biosensor von Fraunhofer-Forschern: Ein winziger Chip vereint Messung und digitale Auswertung – und kann die Daten sogar an ein mobiles Gerät funken.

© Fraunhofer IMS

Mit diesem Biosensor im Nanoformat können Diabetes-Patienten ihren Glukosespiegel in der Tränenflüssigkeit des Auges messen.

Tag für Tag stechen sie sich in den Finger: Für viele Diabetiker gehört die Kontrolle ihres Blutzuckers zum Alltag. Insbesondere Patienten mit Typ-1-Diabetes müssen ihre Werte ständig im Auge behalten, da ihr Körper nicht in der Lage ist, Insulin selbst zu produzieren und so die Glukose im Blut abzubauen. Mehrmals täglich müssen sie einen kleinen Tropfen ihres Bluts auf einen Teststreifen geben. Nur so können sie den Blutzuckerwert ermitteln und sich die notwendige Menge Insulin spritzen. Doch das Pieksen ist nicht nur lästig: Mitunter kommt es zu Entzündungen oder Verhornung der Haut. Und für schmerzempfindliche Patienten ist die Prozedur eine Qual.

Die täglichen Stiche in den Finger könnten aber bald der Vergangenheit angehören – dank eines Diagnosesystems, in dem Fraunhofer-Technologie steckt. Die Idee dahinter: Ein Biosensor, der sich am Körper des Patienten befindet, könnte den Glukosespiegel kontinuierlich auch in anderen Gewebsflüssigkeiten als Blut messen, wie etwa im Schweiß oder in der Augenflüssigkeit. Die ständige Piekserei entfällt. Doch bisher waren solche bioelektrischen Sensoren zu groß, zu ungenau und verbrauchten zu viel Energie. Forschern vom Fraunhofer-Institut für Mikroelektronische Schaltungen und Systeme IMS in Duisburg ist jetzt ein wichtiger Durchbruch gelungen: Sie haben einen Biosensor im Nanoformat entwickelt, der diese Hürden umgeht.

Diagnosesystem im Miniaturformat

Das Prinzip der Messung beruht auf einer elektrochemischen Reaktion, die mithilfe eines Enzyms in Gang gesetzt wird: Die Glukose-Oxidase wandelt Glukose unter anderem in Wasserstoffperoxid (H2O2) um, dessen Konzentration man mit einem Potentiostaten, messen kann. Daraus lässt sich der Glukosespiegel errechnen. Das Besondere an diesem Biosensor: Auf einen Chip von gerade mal 0,7 auf 10 Millimeter passt nicht nur der Nanopotentiostat selbst. Die Forscher haben darauf das gesamte Diagnosesystem untergebracht. »Auch ein Analog-Digitalwandler ist integriert, der das elektrochemische Signal in digitale Daten umwandelt«, erklärt Tom Zimmermann, Geschäftsfeldleiter am IMS. Über eine Wireless-Schnittstelle sendet der Biosensor die Daten beispielsweise an ein mobiles Empfangsgerät – so hat der Patient seinen Glukosespiegel ständig im Auge. »Für ein solches Diagnosesystem benötigte man früher eine Platine von der Größe einer halben DIN A4-Seite«, sagt Zimmermann. »Und ein Treiber war auch erforderlich. Aber auch dieser ist bei unserem Sensor nicht mehr nötig.«

Langlebiger Biosensor

Doch nicht nur die geringe Größe bietet einen erheblichen Vorteil gegenüber bisherigen Biosensoren dieser Art. Der Sensor verbraucht zudem viel weniger Energie. Frühere Systeme benötigten etwa 500 Mikroampere bei fünf Volt, jetzt sind es weniger als 100 Mikroampere. Das macht das System langlebiger – der Patient könnte den Sensor über Wochen oder gar Monate tragen. Möglich ist das durch den Einsatz eines passiven Systems: Der Sensor kann nicht nur Datenpakete schicken und empfangen, sondern über Funk auch mit Energie versorgt werden.

Den Glukosesensor haben die Forscher für die niederländische Medizintechnik-Firma Noviosens entwickelt. Dieses nicht-invasive Messgerät zum Monitoring des Blutzuckerspiegels kann in Zukunft die Basis für eine besonders praktische Weiterentwicklung sein: Der Biochip könnte eine implantierte Miniaturpumpe ansteuern, die anhand des gemessenen Blutzuckerwertes die genau passende Menge Insulin abgibt. Dem Diabetes-Patienten blieben so etliche Piekser erspart.

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