Neue Einblicke in Supraleitermaterialien

11.09.2012 - Schweiz

Ein internationales Forschungsteam hat die magnetischen Eigenschaften einzelner Atomlagen eines Materials untersucht, das die Grundlage einiger Hochtemperatursupraleiter bildet. Ergebnis: Die atomar dünnen Materialschichten unterscheiden sich in den magnetischen Eigenschaften erstaunlich wenig von makroskopisch dicken Materialproben. Das am Paul Scherrer Institut verfügbare Röntgenverfahren „RIXS“ ist das erste, das für Untersuchungen an so dünnen Schichten empfindlich genug ist. In Zukunft könnte man damit Vorgänge in sehr dünnen Supraleitermaterialien erforschen und so zum Verständnis der Hochtemperatursupraleitung beitragen.

PSI/M. Fischer

Die Forscher Mark Dean (Brookhaven National Laboratory) und Thorsten Schmitt (Paul Scherrer Institut) am Messplatz ADRESS an der Synchrotron Lichtquelle Schweiz.

Brookhaven National Laboratory

Prinzip des RIXS-Experiments. Die Probe wird mit Röntgenlicht aus der SLS bestrahlt, das in der Probe eine Spinwelle anregt und dadurch Energie verliert. Indem man die Eigenschaften des abgelenkten Lichts untersucht, kann man Informationen über die Spinwellen gewinnen.

PSI/M. Fischer
Brookhaven National Laboratory

Wenn Strom vom Kraftwerk zum einzelnen Haushalt fliesst, geht durch den elektrischen Widerstand der Leitungen ein Teil der Energie unterwegs verloren. Ausser man fertigt die Leitungen aus einem Supraleiter, einem Material, das Strom ganz ohne Widerstand leiten kann. Besonders vielversprechend sind die Hochtemperatursupraleiter. Dieser Begriff ist etwas irreführend, denn diese Supraleiter benötigen eine Abkühlung auf Temperaturen unter minus 135 Grad Celsius, die wir üblicherweise nicht als hoch wahrnehmen, damit sie ihren Widerstand verlieren. Ihren Namen verdanken die Hochtemperatursupraleiter der Tatsache, dass die länger bekannten, klassischen Supraleiter noch viel tiefere Temperaturen brauchen, um Strom ohne Widerstand leiten zu können. Die physikalischen Vorgänge, die Materialien zu Hochtemperatursupraleitern machen, sind bis heute unbekannt. Von ihrer Aufklärung erhoffen sich Forschende Einblicke in ein faszinierendes Phänomen der Festkörperphysik aber auch Hinweise, wie man Supraleiter für den täglichen technischen Einsatz entwickeln könnte – die vielleicht sogar bei Zimmertemperatur supraleitend wären.

Auf dem Weg zum Verständnis der Hochtemperatursupraleiter

Nun haben Forschende des Brookhaven National Laboratory (USA) und des Paul Scherrer Instituts in der Schweiz gemeinsam mit Kollegen der ETH Lausanne (EPFL) La2CuO4 untersucht, das als Ausgangmaterial für Hochtemperatursupraleiter genutzt wird. Das heisst, es wird zu einem Supraleiter, wenn man die passende kleine Menge von Atomen anderer Elemente – wie etwa Strontium – beimischt.

„Die wichtigsten Bausteine eines Hochtemperatursupraleiters sind zweidimensionale Schichten aus Kupfer- und Sauerstoffatomen“, erklärt der Physiker Mark Dean aus Brookhaven. „Viele Physiker glauben, dass es eine magnetische Wechselwirkung ist, die dafür sorgt, dass sich Elektronen zu Paaren verbinden, was die Entstehung der Supraleitung ermöglicht. Daher ist das Verständnis dieser magnetischen Schichten unerlässlich, wenn man die Hochtemperatursupraleitung verstehen will.“

Magnetismus in dünnen Supraleiterschichten

Die Forscher haben nun einzelne solche Kupferoxid-Lagen untersucht, indem sie zwischen die Lagen Schichten eines anderen Materials eingefügt und so die Lagen voneinander isoliert haben. So konnten sie untersuchen, wie stark die Wechselwirkung zwischen den einzelnen Atomlagen für das Verhalten des Materials verantwortlich ist. Konkret haben sich die Forschenden sogenannte Spinwellen angesehen. Diese entstehen durch die Bewegung der Elektronenspins, die man sich als winzige Magnete vorstellen kann, die mit den einzelnen Elektronen verbunden sind. „Diese Spins könnten für die Entstehung der Hochtemperatursupraleitung von entscheidender Bedeutung sein“, erklärt John Hill vom Brookhaven Laboratory. „Wenn wir ihre Rolle verstehen, könnte uns das helfen, die Hochtemperatursupraleitung zu verstehen und Supraleiter zu entwickeln, die bei Zimmertemperatur funktionieren.“

Im Material sind diese Spins durch magnetische Kräfte miteinander verbunden. Wenn man dann einen davon von der ursprünglichen Position auslenkt, breitet sich diese Auslenkung wie eine Welle durch das ganze Material aus – eine Spinwelle entsteht. Nun konnten die Forschenden in ihrem Experiment zeigen, dass sich das Verhalten dieser Spinwellen in einzelnen Lagen von denen in einem dickeren Stück des Materials nur wenig unterscheidet.

Nur PSI-Verfahren empfindlich genug

„Wir haben für die Messung das untersuchte Material mit Röntgenlicht aus der Synchrotron Lichtquelle Schweiz bestrahlt und gemessen, wie sich die Energie des Lichts, das von der Probe abgelenkt wurde, von der des eingestrahlten Lichts unterscheidet. Aus dieser Differenz kann man die Eigenschaften der Spinwellen im Material bestimmen“, erklärt Thorsten Schmitt. Er betreibt am Paul Scherrer Institut den Messplatz ADRESS, an dem die Untersuchungen durchgeführt wurden. „Da wir hier einzelne Lagen untersucht haben, hatten wir nur sehr wenig Material, an dem das Licht unter Energieverlust abgelenkt werden konnte. Nur unsere Anlage kommt mit diesem sehr schwachen Signal aus.“ Diese Methode wird es nun erlauben, einzelne Lagen weiterer Materialien zu untersuchen – etwa von dotierten Supraleitermaterialien – und so helfen, dem Geheimnis der Hochtemperatursupraleitung auf die Spur zu kommen.

Viele einzigartige Kompetenzen

Es ist nicht ein Verfahren alleine, das solche Ergebnisse möglich macht. So ermöglichen theoretische Überlegungen von Wissenschaftlern um Henrik Rønnow von der ETH Lausanne ein Verständnis der Ergebnisse und zeigen Richtungen für weitere Forschungen auf. Vor den Experimenten an der SLS wurden die Proben mithilfe von Myonen aus der Myonenquelle SμS des PSI untersucht. Dabei wurde die weltweit einzigartige Anlage zur Erzeugung von niederenergetischen Myonen genutzt, an der man gezielt die magnetischen Eigenschaften dünner Schichten untersuchen kann. Damit konnte man untersuchen, ob die einzelnen Lagen tatsächlich voneinander isoliert waren und sich nicht beeinflussten. Das eigentliche Untersuchungsobjekt – die einmalig dünnen Materialschichten – wurden von Ivan Božović aus Brookhaven hergestellt. Derart dünne Schichten zu erzeugen, ist eine Kunst, die sonst niemand beherrscht.

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