Stifterverbandspreis 2013 für Jens Frahm
Göttinger Physiker wird für Weiterentwicklungen in der Magnetresonanz-Tomografie ausgezeichnet
© MPI f. biophysikalische Chemie
Hat eines der inneren Organe des Unfallopfers Schaden genommen? Warum hat ein Sportler Probleme mit dem Kniegelenk? Könnte bei der Patientin das Nervengewebe krankhaft verändert sein? Diese und andere Fragen klären Mediziner auf der ganzen Welt heutzutage mithilfe der bildgebenden Magnetresonanz-Tomografie. Anders als bei Röntgentechniken ist dieses Verfahren für Patienten völlig unschädlich. Doch bis Mitte der 1980-er Jahre war die MRT für den Einsatz in der Medizin noch viel zu langsam: Eine einzelne Schichtaufnahme dauerte Minuten. An dreidimensionale Darstellungen des Körpers war gar nicht zu denken. Möglich wurde dies erst, als Jens Frahm 1985 die schnelle Aufnahmetechnik FLASH (Fast Low Angle Shot) entwickelte. Die Methode beschleunigte MRT-Bilder um mehr als das Hundertfache.
Die MRT-Technik macht sich die Wasserstoff-Atomkerne im menschlichen Körper zunutze. Diese verhalten sich wegen ihres Drehimpulses, dem Kernspin, wie winzige Magnete. Liegt ein Patient in der MRT-Röhre, die ein starkes Magnetfeld erzeugt, richten sich die Wasserstoff-Atomkerne aus. Das MRT-Gerät sendet nun zusätzlich einen kurzen Radiofrequenzpuls im UKW-Bereich aus, der die Kerne aus ihrer geordneten Ausrichtung ablenkt. Bei Rückkehr der Kernspins in ihre Ausgangslage werden Radiowellen aus dem Körper abgegeben, die sich mit empfindlichen Empfangsspulen aufzeichnen lassen. Aus vielfach wiederholten Messungen mit unterschiedlicher Ortskodierung wird dann mithilfe eines Computers ein Bild berechnet. Bis zu Frahms FLASH-Idee waren zwischen den Einzelmessungen jedoch sehr lange Wartezeiten nötig. Mit einem physikalischen Trick gelang es ihm, diese Zwangspausen zu umgehen und die Bildaufnahmezeiten radikal zu verkürzen. Im Jahr 2010 gelang Frahm mit seinen Mitarbeitern ein weiterer großer Durchbruch: FLASH 2. Dafür verwenden die Göttinger eine andere Methode der Datenaufnahme, die mit wesentlich weniger Einzelmessungen auskommt. Möglich macht dies ein neues mathematisches Bildrekonstruktionsverfahren, das Frahms Team entwickelt hat.
Durch FLASH 2 sind die MRT-Aufnahmen nochmals erheblich schneller geworden und benötigen nur noch eine Dreißigstel Sekunde. Die neue Technik macht erstmals Echtzeit-Filme vom menschlichen Herzschlag, vom Blutfluss oder von Sprech- und Schluckvorgängen mit 30 Bildern pro Sekunde möglich. Zwar sind die Computer der klinischen MRT-Geräte derzeit noch nicht schnell genug, um die Bilder parallel zur Aufnahme zu berechnen. In Göttingen können die meisten Prozesse aber schon live verfolgt werden. In Kooperation mit Medizinern soll die Echtzeit-MRT rasch in die klinische Erprobung kommen und Schritt für Schritt für die Patienten nutzbar gemacht werden. Damit rücken auch minimal-invasive Eingriffe unter direkter MRT-Kontrolle in greifbare Nähe.
Jens Frahm, Jahrgang 1951, studierte an der Georg-August-Universität Göttingen Physik und promovierte 1977 bei Hans Strehlow am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie in Physikalischer Chemie. Im Anschluss forschte er als wissenschaftlicher Assistent am Institut und leitete dort von 1982 bis 1992 eine selbstständige Forschungsgruppe. Seit 1993 ist Frahm Leiter der am Max-Planck-Institut angesiedelten gemeinnützigen Biomedizinischen NMR Forschungs GmbH. Im Jahr 1997 wurde er Außerplanmäßiger Professor an der Fakultät für Chemie der Universität Göttingen. Jens Frahm ist Auswärtiges Wissenschaftliches Mitglied am Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation und Mitglied der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen. Für seine Forschungsarbeiten wurde er mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, darunter der Gold Medal Award der International Society for Magnetic Resonance in Medicine (1991), der Karl Heinz Beckurts-Preis (1993) und der Forschungspreis der Sobek-Stiftung (2005).