Nanofeine Spitze schreibt künstliche Zellmembranen

15.10.2013 - Deutschland

Ein neues Verfahren, um künstliche Membranen herzustellen, haben Forscher um Dr. Michael Hirtz vom KIT entwickelt: Mit einer nanometerfeinen Spitze schreiben sie maßgeschneiderte Phospholipid-Membranstücke auf ein Substrat aus Graphen. Die so gefertigten biomimetischen, also biologische Strukturen nachahmenden, Membranen ermöglichen, Funktionen von Zellmembranen gezielt zu untersuchen und neue Anwendungen in Medizin und Biotechnologie zu entwickeln, beispielsweise Biosensoren.

Lipide sind zentrale Strukturbausteine von Zellmembranen. Der Körper des Menschen enthält rund 100 Billionen Zellen. Jede von ihnen ist von einer Membran umhüllt, die im Wesentlichen aus einer Doppellage von teils wasserliebenden, teils wasserabstoßenden phosphorhaltigen Lipiden besteht. Diese Zellmembranen beinhalten zahlreiche Proteine, Ionenkanäle und andere Biomoleküle, die jeweils lebenswichtige Aufgaben erfüllen. Daher ist die Erforschung der Zellmembranen essenziell für viele Bereiche der Medizin und der Biotechnologie. Ein besseres Verständnis ihrer Funktionen ermöglicht neue Anwendungen beispielsweise in Sensoren mit biologischen Komponenten, beim Einsatz von Enzymen als Katalysatoren oder zum gezielten Einbringen von Arzneimittelwirkstoffen. Allerdings ist es äußerst schwierig, die Membranen direkt an Zellen im menschlichen Körper zu untersuchen.

Forscher verwenden daher häufig Modellmembranen, die auf spezielle Oberflächen aufgebracht werden. Diese biomimetischen, das heißt biologische Strukturen nachahmenden Systeme ermöglichen einen einfachen und besser kontrollierbaren Zugriff. Eine internationale Gruppe von Forschern um Dr. Michael Hirtz, Projektleiter in der Abteilung von Professor Harald Fuchs am Institut für Nanotechnologie (INT) des KIT, sowie Dr. Aravind Vijayaraghavan von der Universität Manchester, Großbritannien, stellen nun ein neues Verfahren zur Herstellung von biomimetischen Membranen vor: Sie schreiben maßgeschneiderte Phospholipid-Membranstücke mithilfe der bereits früher am KIT entwickelten Lipid Dip-Pen Nanolithography (L-DPN) auf ein Substrat aus Graphen.

„Die L-DPN Technik benutzt eine feine Spitze, um Lipidmembranen auf Oberflächen zu schreiben – ähnlich einem Federkiel, der Tinte auf Papier bringt“, erklärt Dr. Michael Hirtz vom INT des KIT. Allerdings misst die Spitze nur wenige Nanometer und wird mit hoher Präzision maschinell kontrolliert. Dies erlaubt es, winzig kleine Strukturen zu erzeugen – kleiner als Zellen und hinunter bis auf die Nanoskala (ein Nanometer entspricht 10-9 Metern). Durch den Einsatz von parallel angeordneten Spitzen lassen sich verschiedene Lipid-Mischungen gleichzeitig schreiben, was Strukturen unterschiedlicher chemischer Zusammensetzung in einer Größe ermöglicht, die geringer als die einer einzelnen Zelle ist.

Das als Substrat eingesetzte Graphen ist ein Halbmetall mit einzigartigen elektronischen Eigenschaften. Wie Dr. Aravin Vijayaraghavan von der Universität Manchester erklärt, verteilen sich die aufgebrachten Lipide auf dem Graphen ganz gleichmäßig, wodurch sich ausgezeichnete Membranen ergeben. Weitere Vorteile von Graphen sind seine einstellbare Leitfähigkeit und seine Eigenschaft, die Fluoreszenz markierter Phospholipide zu unterdrücken. Wenn die Lipide entsprechende Bindungsstellen aufweisen, beispielsweise Biotin, binden die Membranen Streptavidin, ein von bestimmten Bakterien produziertes Protein, das in verschiedenen biotechnologischen Verfahren eingesetzt wird. Sind die Lipide elektrisch geladen, findet ein Ladungstransfer von den Lipiden zum Graphen statt. Dadurch ändert sich dessen Leitfähigkeit. Diese Änderung der Leitfähigkeit lässt sich in Biosensoren als Signal der Detektion nutzen.

Die Forscher um Hirtz werden ihre biomimetischen Membranen künftig dazu nutzen, auf Graphen und Lipiden basierte neuartige Biosensoren zu bauen. Geplant sind Sensoren, die über die Änderung der Leitfähigkeit auf die Anbindung von Proteinen reagieren, sowie Sensoren, welche die Funktion von Ionenkanälen in den Membranen detektieren. Bei Ionenkanälen handelt es sich um porenbildende Proteine, die elektrisch geladenen Teilchen das Durchqueren der Membran ermöglichen. „Proteinsensoren könnten in der medizinischen Diagnostik eingesetzt werden. Die Funktion von Ionenkanälen zu überwachen, ist wichtig für die Arzneimittelforschung“, berichtet der KIT-Wissenschaftler.

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