Mit Bakterien infizierte Schmetterlinge führen Genetiker aufs Glatteis
UFZ-Forscher zeigen Schwächen des DNA-Barcodings auf
Josef Settele/UFZ
Manche Tierarten sehen sich so ähnlich, dass äußere Merkmale keinen Aufschluss darüber geben, ob sie zu einer Art gehören oder nicht. „Die Tiere selbst können dies aber sehr wohl unterscheiden. Denn das ist für den Fortpflanzungserfolg ganz entscheidend“, sagt Sylvia Ritter, Doktorandin am Department Biozönoseforschung des UFZ. Neben äußeren Merkmalen spielen dabei auch Geruch und Verhalten eine wichtige Rolle. Artspezifische Gerüche und Verhaltensweisen sind wissenschaftlich aber nur schwer zu untersuchen. „Daher kommen bei Tierarten, die mit Standardmethoden nicht mehr zu unterscheiden sind, genetische Verfahren wie das DNA-Barcoding zum Einsatz“, erklärt UFZ-Forscher Dr. Martin Wiemers. Beim DNA-Barcoding werden bestimmte Abschnitte der mitochondrialen DNA (mtDNA) – das ist das Erbgut, das sich nicht im Zellkern, sondern in den Kraftwerken der Zelle (Mitochondrien) befindet – untersucht. Sind dort zwischen zwei potenziell verschiedenen Tierarten Unterschiede von mehr als zwei Prozent vorhanden, wird dies als Hinweis auf so genannte kryptische Arten gewertet.
„Bei zwei Schmetterlingsarten der Gattung der Ameisenbläulinge haben molekulare Untersuchungen jeweils den Verdacht auf das Vorhandensein kryptischer Arten ergeben, da sich bei ihnen große Unterschiede in der mtDNA fanden“, sagt Wiemers. Gemeinsam mit Sylvia Ritter, der Erstautorin der Studie, hat das Team um Martin Wiemers, Walter Durka, Josef Settele und Stefan Michalski Helle Wiesenknopf-Ameisenbläulinge (Phengaris teleius) und Dunkle Wiesenknopf-Ameisenbläulinge (Phengaris nausithous) in ihrem gesamten eurasischen Verbreitungsgebiet untersucht. Neben den im DNA-Barcoding-Verfahren genutzten Abschnitten der mtDNA haben die Forscher auch DNA aus dem Zellkern miteinander verglichen. Weiterhin wurden die Tiere auf Infektionen mit so genannten Wolbachia-Bakterien untersucht. Denn eine Infektion mit Wolbachia-Bakterien kann dazu führen, dass sich die mtDNA infizierter Tiere von der mtDNA nicht infizierter Ameisenbläulinge stark unterscheidet.
„In der mtDNA haben wir sehr starke Unterschiede gefunden, was ein Hinweis auf kryptische Artbildung sein kann. In der Kern-DNA gab es aber keine entsprechenden Differenzen, was – wenn es sich um verschiedene Arten handeln würde – kaum möglich wäre“, sagt Ritter. „Zwischen den Unterschieden in der mtDNA und Wolbachia-Infektionen konnten wir aber einen signifikanten Zusammenhang feststellen. Das Vorhandensein kryptischer Arten wurde durch die Wolbachia-Infektion also nur vorgetäuscht.“
In einigen Insektengruppen sind bis zu 70 Prozent aller Arten mit Wolbachia-Bakterien infiziert. Doch bisher wird beim DNA-Barcoding nicht standardmäßig auf Wolbachia-Infektionen geprüft. „Das kann dann dazu führen, dass man kryptische Arten findet, die gar nicht existieren. Wir empfehlen daher, bei Insekten zusätzlich immer auch Gene aus dem Zellkern zu untersuchen, damit Untersuchungen zu kryptischen Arten nicht zu verfälschten Ergebnissen führen. Denn auch für den Artenschutz ist es wichtig, Arten voneinander unterscheiden zu können, da sie mit ihren unterschiedlichen Eigenschaften meist auch andere Ansprüche an ihren Lebensraum haben“, sagt Wiemers.
Die untersuchten Wiesenknopf-Ameisenbläulinge gehören zu den besonders gefährdeten Arten, da sie auf eine spezielle Futterpflanze, den Großen Wiesenknopf (Sanguisorba officinalis), und zugleich auf spezielle Ameisenarten angewiesen sind, von deren Eiern und Larven sich die Schmetterlingsraupen ernähren oder sich – durch Duftstoffe getarnt – wie ein Kuckuckskind von den Ameisen füttern lassen. Selbst kleine Veränderungen in der Landnutzung können dazu führen, dass die notwendige Kombination aus Futterpflanze und Ameisenwirt nicht mehr gegeben ist, und Wiesenknopf-Ameisenbläulinge aus dem Ökosystem verschwinden. Wiemers: „Wenn man eine Art schützen und erhalten will, muss man aber auch wissen, was sie braucht. Voraussetzung dafür ist wiederum zu wissen, um welche Art es sich überhaupt handelt. Nur so lassen sich sinnvolle Maßnahmen für den Artenschutz und Wiederansiedlungsprogramme umsetzen.“