Leistungsfähiges Werkzeug für die Gentechnik

Braunschweiger Wissenschaftler beschreiben neue Möglichkeiten des CRISPR-Cas-Systems

26.11.2013 - Deutschland

Viren können nicht nur den Menschen krank machen, sie befallen auch Bakterien. Diese schützen sich mit einer Art „Immunsystem“, das – vereinfacht gesagt – aus einer bestimmten Sequenz im Erbmaterial des Bakteriums und einem dazu passenden Enzym besteht. Es erkennt fremde DNA, die beispielsweise von Viren stammen kann, zerschneidet sie und macht dadurch die Eindringlinge unschädlich. Wissenschaftler am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig konnten jetzt zeigen, dass sich das beteiligte Enzym Cas9 in verschiedenen Bakterienstämmen unabhängig voneinander entwickelt hat – was die biotechnologischen Nutzungsmöglichkeiten des bakteriellen Immunsystems erweitert.

Erst vor wenigen Jahren entdeckt, stößt das Immunsystem mit dem kryptischen Namen „CRISPR-Cas“ bei Genetikern und Biotechnologen auf großes Interesse, denn es eignet sich als gentechnisches Werkzeug im Labor. CRISPR steht für Clustered Regularly Interspaced Palindromic Repeats, zu Deutsch etwa „gehäuft auftretende, gleichmäßig verteilte Wiederholungen, die aus beiden Richtungen gelesen werden können“; Cas schlicht für das CRISPR-assozierte Protein. Im Laufe der Evolution hat sich dieses Molekül in zahlreichen Bakterienstämmen unabhängig voneinander entwickelt. Das konnten die Forscher um Prof. Emmanuelle Charpentier am Brauschweiger Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) jetzt zeigen. Sie veröffentlichen diese Ergebnisse in dem frei zugänglichen internationalen Fachmagazin Nucleic Acids Research.

Nicht nur für die Bakterien, auch für die Arbeit im Labor erweist sich das CRISPR-Cas-Systems als nützlich: Es erkennt zielgenau bestimmte Buchstabenfolgen im genetischen Code und schneidet die DNA dort auf. So können Wissenschaftler entweder Gene entfernen oder an der Schnittstelle neue einfügen. Auf diesem Wege lassen sich beispielsweise Pflanzen züchten, die resistent gegen Schädlinge oder Pilze sind. Zwar existieren bereits andere Technologien, mit denen dies möglich ist, diese sind allerdings zeitaufwendig, teuer und wenig spezifisch. Die neue Methode hingegen, für die die bakterielle Immunabwehr Pate stand, ist schneller, präziser und kostengünstiger, da sie mit weniger Komponenten auskommt und auch lange Gen-Sequenzen ansteuern kann.

Dadurch ist sie auch vielseitiger, denn durch kleinere Veränderungen lässt sie sich an verschiedene Anwendungen anpassen. „Das CRISPR-Cas-System ist ein sehr leistungsfähiges Werkzeug für die Gentechnik“, sagt Emmanuelle Charpentier, die mit ihrem Team Ende vergangenen Jahres aus dem schwedischen Umeå ans HZI gewechselt ist und 2013 mit der angesehenen Humboldt-Professur ausgezeichnet wurde. „Wir haben das Enzym Cas9 und die duale tracrRNA-cdRNA in zahlreichen unterschiedlichen Bakterienstämmen untersucht und verglichen.“ Anhand ihrer Ergebnisse können die Forscher die Cas9-Proteine aus verschiedenen Bakterien in Gruppen einteilen. Innerhalb der Gruppen sind die Komponenten des CRISPR-Cas-Systems austauschbar, zwischen den Gruppen hingegen nicht.

Das ermöglicht neue Wege für die Nutzung der Technik im Labor: Die Enzyme aus verschiedenen Gruppen können kombiniert und so mehrere Änderungen in der Ziel-DNA gleichzeitig vorgenommen werden. Denkbar ist dadurch beispielsweise eine Therapie von Erbkrankheiten, die durch mehrere Mutationen im Erbgut des Patienten verursacht werden. Auch für die Bekämpfung des AIDS-Erregers HIV ließe sich die Methode nutzen: Das Virus nutzt einen Rezeptor der menschlichen Immunzellen, um diese zu infizieren. Mittels CRISPR-Cas ließe sich das Gen für den Rezeptor aus den Immunzellen entfernen, dadurch würden die Patienten immun gegen das Virus. Bis sich diese Zukunftsvision realisieren lässt, ist allerdings noch viel Forschungsarbeit notwendig.

Dennoch zeigen die Beispiele, wie viel Potential in CRISPR-Cas steckt: „Manche Kollegen vergleichen die Technik bereits mit der PCR“, sagt Charpentier. Diese in den 1980er Jahren entwickelte Methode zum „Kopieren“ von Nukleinsäuren ermöglicht es, winzige Mengen von DNA so stark zu vervielfältigen, dass sie biochemisch untersucht werden kann. Ohne diese Technologie, die das molekularbiologische Arbeiten revolutioniert hat, wären viele heute alltägliche Experimente nicht denkbar.

Dabei war Charpentier eigentlich nicht auf der Suche nach neuen Methoden der Molekularbiologie. „Ursprünglich haben wir nach neuen Angriffszielen von Antibiotika gesucht. Entdeckt haben wir etwas ganz anderes“, sagt Charpentier. Durchaus keine Seltenheit in der Forschung, schließlich wurden einige der bedeutendsten Entdeckungen „nebenbei“ oder zufällig gemacht.

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