Mit hochpräziser Messmethode den Krebs einkreisen
Krebs ist die zweithäufigste Todesursache in der Schweiz. Dass es in der Zeit der Spitzenmedizin nach wie vor schwierig ist, die Krankheit zu heilen, hat viele Gründe: Ein Tumor kann zum Beispiel aus unterschiedlichen Tumorzellen bestehen, die je ein eigenes Profil besitzen und unterschiedlich auf Therapien ansprechen – oder eben nicht. Zudem interagieren und kommunizieren die Krebszellen und gesunden Zellen des Körpers untereinander. Wie sich ein Tumor schliesslich entwickelt und ob sich Metastasen bilden, hängt entscheidend davon ab, welche Signale eine Tumorzelle von ihrer Umgebung erhält. Mit der Entwicklung einer neuen Technik ist es jetzt dem Team um Prof. Bernd Bodenmiller vom Institut für Molekulare Biologie der Universität Zürich – in Zusammenarbeit mit der ETH Zürich und dem Universitätsspital Zürich – gelungen, Tumorzellen, die aus Patientenproben stammen, umfassend zu visualisieren. Die vielversprechende Methode wird nun in «Nature Methods» vorgestellt.
Neues bildgebendes Verfahren als grosse Chance
Die Zellprofile eines Tumors, deren Nachbarschaftsverhältnisse und die Informationsverarbeitung innerhalb und zwischen Zellen – die sogenannten Schalt- und Regelkreise – zu ermitteln, ist hoch komplex. Denn dazu müssen die Biomarker, also spezifische Moleküle, die sich den verschiedenen Krebszelltypen zuordnen lassen, und der Signalverarbeitungswege in ihren räumlichen Beziehungen vermessen werden. «Unsere Technik ermöglicht diese Gesamtaufnahme über ein neu entwickeltes bildgebendes Verfahren, mit dem jetzt bereits 32 und in naher Zukunft über hundert Biomarker simultan erfasst werden können», erklärt Studienleiter Bernd Bodenmiller. Durch modernste Bildgebung bleibt ausserdem die Information über die Nachbarschaftsbeziehungen der Zellen erhalten und deren unmittelbaren Einfluss auf die zellulären Schaltkreise kann visualisiert werden.
Die neue Technik basiert auf Methoden, die in Krankenhäusern bereits routinemässig eingesetzt werden – mit zwei wichtigen Neuerungen: Erstens werden die Biomarker statt mit Farbstoffen mit reinen Metall-Isotopen sichtbar gemacht. Hierbei verwenden die Forschenden wenige Mikrometer (millionstel Meter) dicke Gewebeproben. Die Biomarker werden mit Antikörpern markiert. Diese sind ihrerseits mit unterschiedlichen Metall-Isotopen gekennzeichnet. Winzige Stücke des Gewebes werden dann mit einem Lasersystem, das im Labor von Prof. Detlef Günther an der ETH entwickelt wurde, entfernt. Die darin enthaltenen Metall-Isotope werden mit einem Massenspektrometer, das die Masse der einzelnen Metall-Isotope und deren Menge bestimmen kann, gemessen. «Durch diesen Trick wird das Problem der begrenzten Anzahl von Farben in der Analyse biologischer Proben umgangen», so Bodenmiller.
Zweitens bleibt die Information über Zellen, die in der Signalverarbeitung eines Tumors eine wichtige Rolle spielen, nicht länger qualitativer Art: Mit der neuen Messtechnik kann präzise festgestellt werden, welche Zellen in welchem Ausmass Einfluss haben. Dadurch könnten Schwachstellen in den Schaltkreisen entdeckt werden, was dazu beiträgt, neue Therapieansätze zu entwickeln. Deshalb, so Bodenmiller, werde es für Diagnose und Therapie immer wichtiger, diese Interaktionen zu verstehen und einzubeziehen.
Ziel sind dereinst massgeschneiderte Therapien
Erste Messergebnisse, die die Forschenden mit der neuen Technik anhand von Brustkrebsproben erzielten, verdeutlichen die Heterogenität dieser Tumore: Gewisse Tumore leiden durch starke Zellvermehrung in ihrem Inneren unter Sauerstoffmangel, andere missbrauchen körpereigene Immunzellen, um ihr Wachstum voranzutreiben. Einen entscheidenden Einfluss hat auch die Lage der Zellen im Zentrum oder am Rand des Tumors. Klar ist: Kein Tumor gleicht dem anderen und dementsprechend sollten gemäss Bodenmiller auch die Therapien angepasst werden. In einem nächsten Schritt will sein Forschungsteam mit der neuen Messmethode herausfinden, welche Rolle die Zellkommunikation bei der Entstehung von Metastasen spielt.
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