Wilde Gene gegen Stress
Genom der Wildtomate Solanum pennellii gibt Aufschluss über die Ursachen der extremen Stresstoleranz dieser Tomatenart
© RWTH Aachen, A. Vogel und R. Knauf
Tomaten stammen ursprünglich aus Südamerika und wurden im 16. Jahrhundert von den spanischen Entdeckern nach Europa gebracht. Die Pflanzen mit ihren großen roten Früchten, die wir heute kennen, sind das Ergebnis intensiver Züchtung. Während dieses Prozesses sind viele der ursprünglichen Eigenschaften der Wildpflanzen aus dem Gen-Pool der Kulturtomaten verschwunden.
So besitzen Wildtomaten im Vergleich zur Kulturart Solanum lycopersicum häufig eine deutlich höhere Toleranz gegenüber ungünstigen Wachstumsbedingungen, wie zum Beispiel trockenen oder salzigen Böden. Daneben konnten auch wilde Arten identifiziert werden, die Resistenzen gegen Pilzkrankheiten besitzen. Um diese Eigenschaften für Kulturtomaten nutzbar zu machen, werden diese mit den verwandten Wildarten gekreuzt. Die Nachkommen dieser Kreuzungen werden anschließend noch mehrmals mit den Kulturtomaten gekreuzt, man spricht dabei von Rückkreuzung. Diese hat das Ziel, den Anteil der genetischen Information der Wildpflanzen auf wenige Bereiche im Genom und damit auch auf die gewünschten Eigenschaften zu beschränken. Die dabei entstehenden Linien nennt man Introgressionslinien.
Eine wilde Tomatenart, die auf Grund ihrer enormen Stresstoleranz bereits häufiger für die Herstellung von Introgressionslinien benutzt wurde, ist Solanum pennellii. Diese Linie aus S. pennellii und S. lycopersicum sind unter anderem auf Grund einer veränderten chemischen Zusammensetzung der Frucht oder einer erhöhten Trocken- bzw. Salztoleranz interessant. Solche Eigenschaften nennt man auch quantitative Merkmale. Mit Hilfe dieser Introgressionslinie konnte bereits eine Vielzahl sogenannter quantitative trait loci, das heißt Regionen eines quantitativen Merkmals, identifiziert werden. „Dabei handelt es sich um Abschnitte im Genom, die für die Ausprägung bestimmter Merkmale verantwortlich sind“, erklärt Björn Usadel von der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen (RWTH Aachen) und dem Forschungszentrum Jülich.
Über die Gene, die diesen quantitative trait loci zu Grunde liegen, war aber bisher nur wenig bekannt. Hauptsächlich lag das an der fehlenden Information über die Genomsequenz von S. pennellii. Die nun veröffentlichte Studie schließt diese Lücke. Das Kooperationsprojekt internationaler Forscherteams wurde zunächst von Alisdair Fernie und Björn Usadel am Max-Planck-Institut für molekulare Pflanzenphysiologie geleitet und nach einem Wechsel Usadels an die RWTH Aachen und das Forschungszentrum Jülich in den drei Institutionen fortgesetzt.
„Mit der Sequenzierung dieser Wildtomate schaffen wir die Grundlage für die genetische Aufklärung der verschiedenen Loci, wie der Trockentoleranz“, so Alisdair Fernie. „Wir konnten zum Beispiel ein Gen in S. pennellii identifizieren, das für eine veränderte chemische Zusammensetzung der Cuticula - also der wachsartigen Schicht auf den Blättern verantwortlich ist.“ Dieses Gen führt zu einem erhöhten Wachsgehalt in der Cuticula, den die Wissenschaftler auch durch chemische Analysen nachweisen konnten. Die natürliche Funktion der Cuticula, der Schutz der Blätter vor Wasserverlust, wird durch den erhöhten Wachsgehalt noch verbessert.
Durch den Vergleich bekannter Stresstoleranz-vermittelnder Gene mit den quantitative trait loci der Introgressionslinien aus S. pennellii und S. lycopersicum, konnte das internationale Team von Wissenschaftlern 100 weitere Kandidatengene identifizieren, die für eine erhöhte Toleranz gegen Trockenheit oder einen erhöhten Salzgehalt verantwortlich sein könnten. „Mit der Sequenzierung ist es uns gelungen, eine wertvolle Quelle für die Aufklärung der Eigenschaften der Introgressionslinien zu schaffen“, sagt Usadel und fügt hinzu, „Es gibt noch eine Vielzahl bekannter Loci, die es mit Hilfe von Genomsequenzen zu erklären gilt.“
Die Aufklärung der genetischen Grundlagen quantitativer Merkmale ist ein Schlüssel zur zukünftigen Verbesserung unserer Kulturpflanzen und damit auch unserer wichtigsten Nahrungsquellen.