Rütteln am Kristallgitter
Erstmals schwache Restbewegung in Proteinkristallen gemessen
Um die räumliche Struktur von Proteinen zu ermitteln, greifen Forscher am häufigsten zur Methode der Röntgenkristallographie. Dafür werden aus den Biomolekülen Kristalle gezüchtet und anschließend mit starken Röntgenstrahlen beschossen. Daraus, wie die Kristalle das Röntgenlicht streuen, lässt sich dann die Struktur der Proteine in atomarer Auflösung berechnen. Um einen geeigneten Kristall zu bilden, müssen sich zunächst viele Billionen der nur wenige Nanometer großen Proteine in eine regelmäßige dreidimensionale Gitterstruktur fügen. Dabei gilt: Je höher der Ordnungsgrad ist, desto höher die Auflösung.
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Zoom ins Kristallgitter: Der unter dem Mikroskop sichtbare Kristall (Bild links) besteht aus Billionen von Proteinmolekülen, die in einem regelmäßigen Kristallgitter angeordnet sind. Rechts die 3D-Struktur eines einzelnen Proteinmoleküls. Angedeutet sind die schwachen Restbewegungen, die selbst im Kristall noch auftreten.
Paul Schanda/CEA
Allerdings kommt es vor, dass optisch „perfekte“, also sehr regelmäßig wirkende Kristalle in den Experimenten enttäuschend niedrige Auflösungen liefern. Als Ursache wurde seit langem eine Restbewegungen der kristallisierten Moleküle vermutet, die das Bild ähnlich wie bei einem Foto unscharf machen könnten. Diese molekulare Bewegung konnte allerdings bis jetzt nie nachgewiesen oder näher charakterisiert werden. Genau das ist einem Team von Forschern des Institut de Biologie Structurale (IBS) in Grenoble, der US-amerikanischen Purdue Universität und des Jülicher Institute of Complex Systems, Strukturbiochemie (ICS-6) nun gelungen. Der kombinierte Einsatz mehrerer strukturbiologischer Methoden führte dabei zum Erfolg.
Mithilfe der Kernspinresonanz-Spektroskopie gelang es ihnen, die molekulare Restbewegung des Proteins Ubiquitin in drei unterschiedlich geformten Kristallformen zu messen. Wie sich zeigte, handelt es sich dabei um eine leichte Rotationsbewegung jedes einzelnen Moleküls um einige Grad, die mit einer Frequenz im Mikrosekundenbereich abläuft. Mit molekulardynamischen Computersimulationen konnten die Forscher ihre Schlussfolgerungen aus den experimentellen Beobachtungen zusätzlich untermauern. Zudem zeigte sich, dass die Proteine in unterschiedlichen Kristallen unterschiedlich große Bewegungs-Amplituden aufweisen: Bei kompakteren Kristallen, in denen die Moleküle enger beieinander waren, blieben sie geringer. Der am wenigsten dicht gepackte Kristall zeigte dagegen auch die stärkste Bewegung. In röntgenkristallographischen Untersuchungen der drei Kristall-Typen konnten die Forscher anschließend zeigen, dass ein direkter Zusammenhang zwischen der Molekülbewegung im Kristall und der Qualität der aus ihnen gewonnen Daten besteht. Die Kristalle, in denen geringere Molekülbewegungen auftraten, lieferten durchgängig bessere Daten und höher aufgelöste Bilder.
„Dass die bisher nur vermutete Molekularbewegung nun zum ersten Mal experimentell beobachtet und ihr Ausmaß in verschiedenen Kristallen ermittelt werden konnte, hat eine wichtige praktische Bedeutung für die Strukturbestimmung von Proteinen“, sagt Prof. Dieter Willbold, Direktor am Jülicher ICS-6. „Die Studie erklärt einen bislang unbekannten Faktor, der die Röntgenkristallographie beeinflusst, und gibt generell einen neuen Einblick in die Dynamik molekularer Bewegungen“, ergänzt Dr. Paul Schanda, Forschungsgruppenleiter für Festkörper-Kernspinresonanz-Spektroskopie am IBS Grenoble.
Originalveröffentlichung
Peixiang Ma et al.; "Observing the overall rocking motion of a protein in a crystal"; Nature Comm.; 2015
Originalveröffentlichung
Peixiang Ma et al.; "Observing the overall rocking motion of a protein in a crystal"; Nature Comm.; 2015
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