Entzündungsprozesse in Echtzeit beobachten

Nachwuchsforscherin der Universität Jena entwickelt Testsystem für die Suche nach neuen Wirkstoffen

21.10.2015 - Deutschland

Asthma bronchiale, Heuschnupfen oder Neurodermitis – Allergien sind in den westlichen Industriestaaten weiter auf dem Vormarsch. Laut Robert-Koch-Institut erkrankt etwa jeder dritte Erwachsene mindestens einmal im Leben an einer Allergie. Die Ursache für allergische Reaktionen sind überschießende Entzündungsprozesse des Immunsystems. Eine zentrale Rolle dabei spielt das Enzym 5-Lipoxygenase, kurz 5-LO. „Dieses Enzym steuert das Entzündungsgeschehen, in dem es die Biosynthese von proentzündlichen Substanzen katalysiert“, sagt Dr. Ulrike Garscha von der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Daher sei die 5-LO ein vielversprechendes Angriffsziel für Wirkstoffe zur Behandlung von Entzündungserkrankungen. Allerdings, so räumt die Pharmazeutin ein, gibt es bislang nur ein einziges zugelassenes Arzneimittel für den US-Markt, das aufgrund starker Nebenwirkungen nur sehr eingeschränkt eingesetzt werden kann.

Die Jenaer Nachwuchswissenschaftlerin vom Lehrstuhl für Pharmazeutische und Medizinische Chemie und ihr kleines Team haben nun einen neuen Ansatz erarbeitet, der die Arzneistoffsuche genau hier entscheidend voranbringen kann. Wie Ulrike Garscha und ihre Kollegen aus Jena gemeinsam mit Forschern des Karolinska Instituts in Stockholm in der Fachzeitschrift „FASEB Journal“ berichten, konnten sie jetzt erstmals den Mechanismus detailliert studieren, über den die 5-LO gemeinsam mit einem weiteren Protein namens FLAP die Entzündungsprozesse in Gang setzt. Dafür haben die Forscher in jahrelanger Arbeit ein Zellsystem entwickelt, an dem sich die ablaufenden Prozesse zeitaufgelöst und hochpräzise beobachten lassen. Damit stellen die Forscher eine Methode zur Verfügung, mit der sich geeignete Wirkstoff-Kandidaten nun viel zielgerichteter testen lassen.

„Es ist bereits seit einigen Jahren vermutet worden, dass 5-LO und FLAP zusammenwirken“, unterstreicht Prof. Dr. Oliver Werz von der Uni Jena, an dessen Lehrstuhl die Arbeitsgruppe von Dr. Garscha angesiedelt ist. Sobald eine Zelle des Immunsystems ein Entzündungssignal erhält, wandert die 5-LO, die sich normalerweise frei innerhalb der Zelle bewegt, zur Membran des Zellkerns und verbindet sich dort mit FLAP. „Erst im Verbund können beide Moleküle ihre Wirkung entfalten und die Entzündung in Gang setzen“, so Werz.

Obwohl dieses Zusammenwirken in der internationalen Forschergemeinschaft weitgehend unstrittig war – eindeutig nachgewiesen haben es jetzt erstmals die Jenaer Pharmazeuten. Dafür haben sie die Interaktion der beteiligten Proteine in menschlichen Immunzellen durch Fluoreszenzfarbstoffe sichtbar gemacht und im Mikroskop beobachtet. Auf diesem Weg konnten die Forscher auch den genauen Regulationsmechanismus aufklären, nach dem die beiden Moleküle das Entzündungsgeschehen steuern. „Während sich in den ersten Minuten der Interaktion zunächst ein flexibler Komplex aus beiden Molekülen bildet, der die Synthese proentzündlicher Substanzen induziert, kommt es nach zwei bis drei Minuten zu einer festen Verbindung von 5-LO und FLAP, was die Enzymaktivität wieder herunterfährt“, erläutert Ulrike Garscha. Die 36-jährige Nachwuchswissenschaftlerin ist überzeugt, dass sich aus diesen Erkenntnissen langfristig neue therapeutische Ansätze zur Behandlung von Entzündungserkrankungen ergeben werden.

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