Selbstheilende Polymere: Hallesche Chemiker entwickeln Katalysator zur punktgenauen Reparatur
Eine Gruppe von Chemikern der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) hat in einer Reihe von Experimenten einen neuartigen Kupfer-basierten Katalysator entwickelt, der in der Lage ist, Materialschäden über die damit verbundene Reißkraft direkt zu erkennen und anschließend zu heilen. Das führt in der Praxis zu einer erhöhten Lebensdauer des Materials und somit auch zu einer gesteigerten Sicherheit von Polymerwerkstoffen und einer deutlichen Reduzierung von Abfall.
Die Gruppe um Prof. Dr. Wolfgang H. Binder vom Institut für Chemie der MLU beschäftigt sich seit geraumer Zeit mit der Entwicklung von sich selbst heilenden Polymerwerkstoffen, um dem Wunsch der Menschen nach dauerhaft haltbaren Materialien näher zu kommen. Damit mechanische Schäden - zum Beispiel durch Deformation, Lichteinflüsse oder auch witterungsbedingten Abbau - bereits im Frühstadium erkannt und wenn möglich repariert werden können, forscht sein Team an neuen Konzepten. Sie sollen eine direkte Umsetzung von mechanischer Energie - wie sie etwa beim Zerreißen eines Gummibands durch Krafteinwirkung entsteht - in chemische Prozesse erlauben, die diesen Riss zeigen und schließen können.
Über einen neu entwickelten Katalysator können selbst Mikrorisse in Materialien nun tatsächlich direkt erkannt werden. Über eine nachfolgende katalytische Reaktion werden diese Risse sichtbar markiert. Der Katalysator wird dabei quasi in die Mitte eines gummibandähnlichen Moleküls eingespannt, so dass - bei Anwendung der zerstörerischen Kraft - der Katalysator zuerst „zerreißt" und somit als so genannter „Mechanokatalysator" wirkt. Dabei werden die aufgetretenen Schäden durch eine bläuliche Fluoreszenz angezeigt.
Für den Prozess werden die nicht fluoreszierenden Komponenten 3-Azido-7-hydroxy-coumarin und Phenylacetylen zusammen mit einem Kupfer(I)-Katalysator in eine Polymer-Matrix eingebettet. In der sich anschließenden chemischen Reaktion wird der stark fluoreszierende Farbstoff 7-Hydroxy-3-(4-phenyl-1H-[1,2,3]triazol-1-yl)-coumarin gebildet - allerdings erst, wenn eine Schädigung des Materials eintritt. Durch die übertragene Kraft wird in Folge eine der beiden an das Kupfer angehängten Polymerketten abgespalten und das Kupferzentrum für die chemische Reaktion aktiviert.
So wird zum einen sichergestellt, dass die Farbreaktion nur an jener Stelle eintritt, an der das Material geschädigt wurde. Zum anderen wird in Folge eine Reparatur an nur dieser geschädigten Stelle ermöglicht. Der Schaden zeigt und repariert sich also von selbst.
In der Weiterführung des Konzeptes der Mechanochemie eröffnet sich ein breites Spektrum an Anwendungsmöglichkeiten in Beschichtungen sowie in der Flugzeug- und Autoindustrie, wo eine millimetergenaue Schadensreparatur an der deformierten Stelle im Material nötig ist.
Originalveröffentlichung
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