Forscher filmen explodierende Nanopartikel
Einblicke in den Nanokosmos mit bisher unerreichter Detailschärfe und Schnelligkeit
Tais Gorkhover/SLAC
Moderne Abbildungsverfahren stoßen an ihre Grenzen, wenn eine Kombination aus hoher Detailgenauigkeit und extremer Schnelligkeit benötigt wird. Schnelle optische Bildgebungsverfahren konzentrieren sich meist nur auf makroskopische Objekte. Elektronenmikroskope produzieren zwar wesentlich detailschärfere Bilder, erfordern jedoch eine lange Belichtungszeit. Ultraschnelle Prozesse in freien Nanoteilchen ließen sich daher mit herkömmlichen Methoden bislang nicht direkt abbilden. Dabei ist das Verständnis von solchen Abläufen fundamental wichtig für ein breites Spektrum an Fragestellungen, reichend von der Klimamodellierung bis zur Nanotechnologie.
Generell können freie Nanopartikel ihre Eigenschaften stark verändern, sobald sie auf Oberflächen fixiert werden. Um die Teilchen und ihre Dynamik möglichst unberührt untersuchen zu können, wurden sie daher während des freien Fluges durch eine Vakuumkammer abgelichtet. Auf diese Weise ließen sich nicht nur die Explosionen, sondern auch die Dynamik einzelner freier Nanopartikel beobachten.
Die winzigen Partikel aus gefrorenem Xenon hatten Durchmessern von circa 40 Nanometern, das ist rund tausend Mal dünner als ein menschliches Haar. „Mit dem intensiven Licht eines Infrarotlasers wurden die Nanopartikel stark erhitzt und in der Vakuumkammer zum Explodieren gebracht,“ erklärt DESY-Forscher Jochen Küpper, der auch Professor an der Universität Hamburg und Mitglied im Hamburg Centre for Ultrafast Imaging CUI ist. Gezielt verzögerte Röntgenblitze hielten verschiedene Stadien der Explosion fest. Küppers Gruppe unterstützte die Implementierung dieser sogenannten Pump-Probe-Technik. „Das Experiment wurde dazu jeweils mit einem neuen Nanopartikel und etwas größerer Verzögerung des Röntgenblitzes wiederholt“, berichtet Lotte Holmegaard aus Küppers Gruppe am CFEL. Aus diesen zeitlich leicht versetzten Schnappschüssen entstand so ein Film der Explosion.
„Zu unserer Überraschung schienen die explodierenden Teilchen im Laufe der Zeit kleiner zu werden, anstatt wie erwartet zu expandieren“, sagt Gorkhover. Dieses unerwartete Ergebnis konnte schließlich mit theoretischen Modellen erklärt werden, in denen die Teilchen nicht gleichmäßig expandieren, sondern von außen nach innen „schmelzen“. Der harte Kern des Teilchens wird damit immer kleiner und erzeugt die Illusion, dass der Cluster schrumpft.
Ein weiterer interessanter Aspekt der neuen Methode ist die direkte Abbildung der Dynamik einzelner freier Nanoteilchen. Bisher basierten die meisten derartigen zeitaufgelösten Studien auf der gleichzeitigen Beobachtung von vielen Partikeln und damit auf Durchschnittswerten. Dabei können fundamentale Unterschiede, die zum Beispiel mit der Größe, der Position und der Beschaffenheit der individuellen Teilchen zusammenhängen, leicht übersehen werden. „Wir haben bereits in früheren statischen Experimenten bestätigt, dass man mit Experimenten an einzelnen Teilchen unerwartete Effekte beobachten kann, die vorher nicht wahrgenommen wurden. Nun steht dieser Ansatz endlich auch für zeitaufgelöste Abbildungsverfahren zur Verfügung”, sagt Gorkhover.
„Unser Experiment liefert nicht nur fundamentale Einblicke in die Physik von stark überhitzter Materie, sondern ebnet den Weg für eine Vielzahl von zukünftigen Experimenten, die schnelle Dynamiken mit hoher Auflösung in freischwebenden Teilchen untersuchen wollen”, erläutert Bostedt. Solche Dynamiken sind zum Beispiel wichtig bei der Bildung von Aerosolen (Schwebeteilchen) in der Atmosphäre, die einen Großteil der Sonnenstrahlung reflektieren können und daher wichtig für Klimamodelle sind. Auch die Forschung an lasergetriebenen Fusionsreaktoren und neue Entwicklungen in der Nanotechnologie könnten von der neuen Methodik profitieren.