Bluttest zur Diagnose von Alzheimer entwickelt

Infrarotsensor als neues diagnostisches Tool

16.03.2016 - Deutschland

Forscher haben einen Bluttest entwickelt, mit dem es in Zukunft möglich sein könnte, Alzheimer im Frühstadium zu entdecken.

Heute wird die Alzheimerkrankheit zu spät diagnostiziert. Forscher der Ruhr-Universität Bochum (RUB) haben jetzt zusammen mit Wissenschaftlern der Universität und des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) Göttingen einen Alzheimer-Bluttest entwickelt, der potenziell auch eine Früherkennung ermöglicht. Er basiert auf einem immuno-chemischen Verfahren in Form eines Infrarotsensors. Dessen Oberfläche ist mit hochspezifischen Antikörpern belegt. Sie fischen die Biomarker für die Alzheimerkrankheit aus dem Blut oder dem Nervenwasser, das im unteren Bereich des Rückens entnommen werden kann, heraus. Der Infrarotsensor misst, ob die Biomarker bereits krankhaft verändert sind, was schon mehr als 15 Jahre vor dem Auftreten klinischer Symptome der Fall sein kann.

Diagnose kommt heute meist zu spät

Ein großes Problem der Diagnose von Morbus Alzheimer ist die Tatsache, dass beim Auftreten erster klinischer Symptome bereits massive irreversible Schäden des Gehirns vorliegen. Zu diesem Zeitpunkt ist nur noch eine symptomatische Behandlung möglich. „Wenn wir in Zukunft über ein Medikament verfügen wollen, dass den weiteren Krankheits-Verlauf deutlich verlangsamen kann, benötigen wir dringend Bluttests, die die Alzheimerkrankheit bereits in prädemenziellen Phasen entdecken können“, sagt Prof. Dr. Klaus Gerwert, Leiter des Lehrstuhls für Biophysik der RUB. „Ein frühzeitiger Einsatz derartiger Medikamente könnte die drohende Demenz entweder aufhalten oder zumindest den Zeitraum verlängern, bis sie auftritt“, ergänzt Prof. Dr. med. Jens Wiltfang, Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universitätsmedizin Göttingen und Koordinator der Klinischen Forschung des DZNE-Göttingen.

Morbus Alzheimer und die Fehlfaltung des Amyloid-beta-Peptids

Als Biomarker dient bei dem neu entwickelten Test die Struktur der sogenannten Amyloid-beta-Peptide. Sie verändert sich bei der Alzheimererkrankung. In der fehlgefalteten, krankhaften Struktur können sich immer mehr Amyloid-beta-Peptide aneinander lagern und nach einiger Zeit die für Alzheimer typischen sichtbaren Plaque-Ablagerungen im Gehirn bilden. Dies geschieht schon mehr als 15 Jahre bevor klinische Symptome bei den Patienten sichtbar werden. Zwischenzeitlich kann man die krankhaften Beta-Amyloid-Plaques zwar auch durch die Positronen-Emissions-Tomografie, kurz Amyloid-PET, sichtbar machen, dieses Verfahren ist aber vergleichsweise teuer und mit einer Strahlenbelastung verbunden.

Patentiertes Verfahren zur Diagnose von Alzheimer

Die Gruppe um Prof. Dr. Klaus Gerwert hat gemeinsam mit Prof. Dr. med. Jens Wiltfang aus Göttingen im Rahmen der Doktorarbeiten von Andreas Nabers und Jonas Schartner nun ein Verfahren entwickelt, das genau diese Fehlfaltung der Amyloid-beta-Peptide nachweist. Ihr infrarotbasierter Sensor extrahiert das Amyloid-beta-Peptid gezielt aus Körperflüssigkeiten. Das Verfahren ist zum Patent angemeldet. Anfangs arbeiteten die Wissenschaftler mit Proben von Nervenwasser, erweiterten das Verfahren dann aber auch auf die Analyse von Blut. „Dabei selektieren wir nicht nur eine einzelne mögliche Faltung des Peptids, sondern detektieren erstmals die Verteilung aller vorliegenden Amyloid-beta-Strukturen, also der gesunden und der kranken Formen gleichzeitig“, so Gerwert. Erst die Summe aller Sekundärstrukturen erlaube eine präzise Diagnostik. Tests, die das Amyloid-beta-Peptid analysieren, gibt es bereits mit den sogenannten Enzyme-Linked-Immunosorbent-Assays (ELISA). Sie bestimmen die Gesamtkonzentration, Verhältnisse verschieden langer Formen oder auch die Konzentration einzelner Konformationen in Körperflüssigkeiten, bisher aber nicht die diagnostisch wichtige Verteilung aller Formen gleichzeitig. „Daher zeigen die bisherigen ELISA-Tests in der Praxis nur einen mäßigen Erfolg bei Anwendung auf Blutproben“, erklärt Klaus Gerwert.

Erste klinische Studien sind gelaufen

Mit dem in Bochum und Göttingen neu entwickelten Verfahren haben die Wissenschaftler bereits Proben von 141 Patienten untersucht. Dabei haben sie eine diagnostische Genauigkeit von 84 Prozent in Blut und 90 Prozent in Nervenwasser im Vergleich zum klinischen Goldstandard erzielt. Im Test zeigt sich eine Zunahme fehlgefalteter Biomarker als spektrale Verschiebung der Amyloid-beta-Bande unterhalb eines Schwellwertes und diagnostiziert dadurch Alzheimer. „Das Besondere ist dabei, dass es sich hier um einen einzigen robusten markerfreien Test mit einem einzigen Grenzwert handelt“, beschreibt Andreas Nabers das Ergebnis seiner Dissertation.

Ein potenzieller Sensor für die Früherkennung

Im Rahmen der veröffentlichten Studie haben die Forscher bereits an einer kleinen Gruppe von Patienten auch das wichtige Potenzial zur Früherkennung von Morbus Alzheimer getestet. Die Ergebnisse deuten an, dass auch in prädemenziellen Stadien ein erhöhter Anteil an fehlgefalteten Amyloid-beta-Peptiden in Körperflüssigkeiten detektiert werden kann. Damit könnte künftig die Diagnose von Morbus Alzheimer in präklinischen Stadien möglich sein. „Je früher man Alzheimer erkennt, desto größer sind die Chancen auf eine mögliche Therapie. Dieser Sensor ist ein wichtiger Meilenstein in diese Richtung“, ergänzt Jens Wiltfang. Derzeit laufen Messungen an Proben zur Früherkennung von 800 Probanden, um die statische Signifikanz weiter zu verbessern.

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